Sportwetten bloß ein harmloser Freizeitspaß? Ein kritischer Dialog
Sportwetten – bloß ein harmloser Freizeitspaß?
Ein kritischer Dialog
Sind Sportwetten für die meisten Menschen nicht einfach ein harmloses Freizeitvergnügen? Sie interessieren sich für Sport und verschaffen sich zusätzliche Spannung, indem sie auf den Ausgang eines Spiels wetten. Was soll daran schlimm sein?
Auf den Ausgang eines Sportereignisses, zum Beispiel eines Fußballspiels, zu tippen, kann tatsächlich ganz harmlos sein. Bei größeren Events wie zum Beispiel Fußballeuropa- oder -weltmeisterschaften erfasst das „Wettfieber“ ja regelmäßig sogar große Teile der Bevölkerung. Dabei wird zumeist um kleine Einsätze gegeneinander getippt oder es wird sogar ganz auf einen (materiellen) Gewinn verzichtet. Zu einem Glücksspiel mit Risikopotential werden Sportwetten, wenn häufiger oder sogar regelmäßig gewettet wird und wenn es um echte Geldbeträge geht.
Gut zu wissen: Von einem Glücksspiel spricht man, wenn die Gewinnchance vollständig oder in hohem Maße vom Zufall abhängt und für die Teilnahme am Spiel ein Entgelt bezahlt werden muss.

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Manche Menschen bestreiten zwar, dass es sich bei Sportwetten um Glücksspiele handelt. „Die eigenen Sportkenntnisse bestimmen zum großen Teil darüber, wie jemand bei einer Sportwette abschneidet“ – so lautet ihr Hauptargument gegen eine Definition von Sportwetten als Glücksspiel. Und tatsächlich beeinflussen „Fachwissen“ und verfügbare Informationen über ein Spiel die Gewinnchancen. Allerdings werden diese Faktoren regelmäßig überschätzt – mit ein Grund dafür, dass Sportwetten unter Fachleuten sogar als Glücksspiel mit einem erhöhten Gefährdungspotential gelten.
Unterschiedliche Arten von Sportwetten sind dabei jeweils mit einem unterschiedlichen Risikopotential verbunden. Weiterführende Informationen dazu haben wir unter Nicht so harmlos wie viele denken: Über das Risiko von Sportwetten zusammengestellt.
Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung hat überhaupt Probleme mit Glücksspielen. Warum sind Öffentlichkeitsmaßnahmen notwendig, die vor den möglichen Gefahren durch Glücksspiele warnen?
Bezogen auf die Allgemeinbevölkerung liegt der Prozentsatz von Menschen mit einem pathologischen (wörtlich übersetzt: krankhaftem), Spielverhalten bei einem knappen Prozent (0,82 %). Diese Zahl mag für einige auf den ersten Blick klein wirken, dahinter stehen jedoch ca. 438.000 Menschen
- denen die Kontrolle über ihr Spielverhalten ganz oder teilweise entglitten ist
- deren Angehörige erheblich leiden, weil die Sportwette zum bestimmenden Lebensinhalt des Spielers geworden ist. Der Kreis der Menschen, die durch problematisches Sportwetten betroffen sind, ist also deutlich größer als die Zahl der Spielenden.
- die durch ihr Wetten zum Teil hohe Schulden anhäufen. 16 Prozent der Menschen, die ambulant wegen ihres Spielverhaltens betreut werden, haben über 25.000 Euro Schulden.
Es gibt also viele Menschen, die direkt oder indirekt von den Folgen des Glücksspielens betroffen sind. Und auch die volkswirtschaftlichen Folgekosten durch das Glücksspielwesen in Deutschland sind beachtlich. Die Schätzungen liegen hierbei aber weit auseinander und sind davon abhängig, welche Faktoren einbezogen werden. Die Universität Hohenheim berechnete Kosten von insgesamt 326 Millionen Euro pro Jahr (u.a. Behandlungen, Arbeitsausfälle Gerichtsverfahren). Die Universität Hamburg kommt auf Kosten in Höhe von mehreren Milliarden. In diese Rechnung fließen weitere Kostenblöcke, wie z. B. die privaten Kosten der Spielenden ein.Trotz ihres Gefährdungspotentials ist Werbung für Sportwetten an vielen Orten präsent, zum Beispiel im Stadion, auf Trikots oder auf Werbebannern von Websites zum Thema Sport. Wird Werbung für Sportwetten überhaupt reguliert oder ist „erlaubt, was gefällt“?
Nein, zum Glück ist bei Werbung für Sportwetten nicht alles erlaubt, was gefällt. Werbung für Sportwetten ist gemäß Erstem Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüÄndStV) bestimmten Regeln unterworfen. So ist Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen, im Internet und in Telekommunikationsanlagen grundsätzlich verboten. Abweichend davon ist Werbung für Lotterien, Sport- und Pferdewetten erlaubt, wenn dadurch „die Ziele des GlüÄndStV besser erreicht werden können“. Irreführende Werbung ist genau so verboten wie Werbung, die sich an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richtet. Werbung für Sportwetten ist im Fernsehen unmittelbar vor oder während der Live-Übertragung von Sportereignissen auf dieses Sportereignis nicht zulässig. Werbung für die Anbieter von Sportwetten (im Gegensatz zu bestimmten Produkten bzw. Angeboten) sind jedoch auch während einer Live-Übertragung des Sportereignisses erlaubt.
Wie lässt sich feststellen, ob jemand einen kritischen Umgang mit Sportwetten hat?
Um erste Hinweise auf ein problematisches Glücksspiel- bzw. Sportwettverhalten zu erhalten, sind verschiedene Selbsttests entwickelt worden (mehr dazu unter "Süchtig nach Sportwetten? Diesmal muss ich einfach gewinnen."). Für die Diagnose „Problematisches Glücksspielen“ bzw. Pathologisches Glücksspielen“ ist jedoch ein intensives Gespräch mit einem Experten oder einer Expertin notwendig. Auf dieser Website finden Sie einen Überblick zu Beratungsangeboten in Hamburg. Bei der Suche nach einer passenden Beratungsmöglichkeit ist Ihnen auch die Helpline Glücksspielsucht behilflich.
Quellen:
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2014). Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland. Ergebnisse des Surveys 2013 und Trends. Köln. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
https://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/gluecksspiel/Oekonomie/SozialeKostenDesGluecksspiels_Internet.pdf
https://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/gluecksspiel/Regulierung/Schnellstudie_Werbung_Okt2013.pdf
Ingo Fiedler, 2010, Die sozialen Kosten von Glücksspielen. Kostenarten, Wohlfahrtsrelevanz und Herausforderungen bei der Bezifferung, in: Pathologisches Glücksspielen, Hrsg.: Ilona-Füchtenschnieder-Petry, Jörg Petry und Birgit Ottensmeier, Neuland, Geesthacht, S. 19-37