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Glücksspielsucht

gluecksspielsucht

„Neues aus der Glücksspiel(sucht)forschung“ wurde kürzlich auf einer gleichnamigen Fachtagung an der Universität Hamburg präsentiert. Drei Themen standen im Vordergrund: „Sportwetten“, „Glücksspiel und Migration“ und „Social Gambling“. Namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler präsentierten ihre Forschungsergebnisse, auch für Diskussionen gab es reichlich Gelegenheit. Eine Auswahl der neuen Erkenntnisse aus der Wissenschaft stellen wir Ihnen vor, am Ende des Textes gibt es dann noch einen Link, der direkt zu den Vorträgen der Fachtagung führt.

Sportwetten: Über 2 Milliarden alleine auf dem unregulierten Markt

Tobias Hayer machte in seinem Vortrag einen Streifzug durch Forschungsarbeiten zum Thema Sportwetten: ein gewaltiger Markt, insbesondere im sogenannten „nicht regulierten Bereich“. Damit sind alle Sportwettangebote gemeint, die in Deutschland nicht offiziell zugelassen sind. Der gesamte Bruttospielertrag (= Einsätze abzüglich der ausgezahlten Gewinne) unregulierter Sportwetten beträgt über 2 Milliarden Euro. Im Jahr 2015 waren es schätzungsweise 2.270 Millionen Euro. Ein Markt, von dem zudem ein großer Werbedruck ausgeht – Anzeigen großer Anbieter lässt sich kaum aus dem Weg gehen.

Dass es sich bei einer Sportwette um ein Glücksspiel handelt und dass ihr Expertenwissen zum Beispiel über Fußball von vielen Menschen deutlich überschätzt wird, zeigte Tobias Hayer anhand der Ergebnisse eines Experiments. Laien, Amateure und sogenannte Experten schnitten bei der Vorhersage des Ausgangs der ersten zehn Spiele der Fußball-EM 2008 gleich gut ab. Die Trefferquote lag übrigens bei allen im Durchschnitt bei etwas unter fünf Spielen, was einem Verhältnis von 50 zu 50 entspricht. Auch die vermeintlichen Experten hatten also genauso oft Recht wie Unrecht.

Aber gerade der Glaube an das eigene Fachwissen in Sachen Sport macht Sportwetten zum riskanten Glücksspiel. Denn viele Spieler glauben, dass sie dadurch dem Zufall überlegen sind. Junge Menschen und Profisportler sind übrigens besonders häufig von Sportwettsucht betroffen.

Viele pathologische Spieler mit Migrationshintergrund

Menschen mit Migrationshintergrund haben überdurchschnittlich häufig Probleme mit Glücksspielen. Sven Buth vom ISD (Institut für interdisziplinäre Sucht-und Drogenforschung) hat eine Studie zu dem Thema vorgestellt, bei der sowohl Experten als auch Spieler befragt wurden.

Türkeistämmige Personen mit einem pathologischen Spielverhalten spielen demnach häufig, um Stress und Probleme zu bewältigen (zum Beispiel, um ihre Sorgen zu vergessen oder schlechter Stimmung zu entkommen). Oft nehmen sie keine professionelle Hilfe in Anspruch – vor allem, weil sie glauben, alleine mit ihren Problemen fertig zu werden und/oder weil sie sich nicht eingestehen wollen, Hilfe zu benötigen.

Als zweithäufigster Grund, sich nicht an eine Beratungsstelle oder etwas Vergleichbares zu wenden, wird die Angst genannt, dass man von anderen Menschen abgewertet wird, wenn offenkundig wird, dass man Probleme mit Glücksspielen hat.

Im Visier der Anbieter: Intensivspieler

Ingo Fiedler von der Universität Hamburg beschäftigte sich in seinem Vortrag mit dem Phänomen „Social Gam(bl)ing“. Dabei geht es um Videospiele („Games“), die traditionell nicht den Prinzipien eines Glücksspiels (Zufall, Einsatz, Gewinn) folgen – von denen es aber mittlerweile Varianten gibt, die Elemente von Glücksspielen aufweisen. So bestimmt bei manchen dieser Spiele der Zufall über den Verlauf oder es wird um (Spiel-)geld gespielt.

Ein Beispiel für Computerspiele, die den Spielern viel Geld aus der Tasche locken können, sind sogenannte „Pay2Win“-Spiele („Zahlen-um-zu-gewinnen-Spiele“): Das sind Spiele, die kostenfrei gespielt werden können. Um wirklich gute Ergebnisse zu erzielen oder eine Runde weiter zu kommen, ist dann jedoch ein Entgelt notwendig. Dadurch hat man eine Zeit lang Vorteile im Spiel – bis zum nächsten Ereignis, an dem man sich durch den Zukauf neuer Waffen oder Kräfte erneut einen Vorteil verschaffen kann bzw. muss.

Die wenigsten Kunden gehen auf dieses Angebot ein. Es gibt jedoch eine kleinere Gruppe von Spielern, die sich im Spiel verlieren und teilweise sogar mehr als 10.000 € pro Monat bezahlen. Verständlich, dass diese Spielergruppe für die Anbieter besonders interessant ist– und aus Sicht der Präventionsfachkräfte besonders gefährdet, eine Entwicklung zu nehmen, die der Karriere eines Glücksspielsüchtigen gleicht. Für Ingo Fiedler sind die „Pay2Win“-Spiele aufgrund der hohen Gefährdung für Intensivspieler und auch aufgrund ihres Geschäftsmodells eher Glücksspiele als reguläre Videospiele.

Weitere Ergebnisse aus der Glücksspiel (sucht)-Forschung können Sie unter folgendem Link abrufen: http://www.isd-hamburg.de/praesentationen.htm

Am 27. September 2017 findet der bundesweite Aktionstag gegen Glücksspielsucht statt. Diesmal werden wir uns im Schwerpunkt dem Thema „Angehörige“ widmen. Mehr dazu erfahren Sie in Kürze!

Fünf Fragen an den Glücksspielexperten Dr. Ingo Fiedler von der Universität Hamburg

Worin besteht das Risikopotenzial von Geldspielautomaten, woran krankt die Regulierung des deutschen Glücksspielmarktes und welche Maßnahmen können könnten die Problematik wirksam eindämmen? Wir haben den Experten Dr. Ingo Fiedler von der Universität Hamburg zum Interview getroffen.

Herr Fiedler, laut einer Analyse von Ihnen wird ein Großteil des Umsatzes in Spielhallen mit Menschen gemacht, die pathologisch spielen. Sie schätzen diesen Anteil auf 80 Prozent (des Umsatzes an Geldspielautomaten). Wie sind Sie auf diesen Wert gekommen?

Pathologische Spieler spielen wesentlich häufiger als Freizeitspieler. Zudem dauern ihre Spielsessions länger. Und nicht zuletzt setzen Spielsüchtige pro Zeiteinheit mehr Geld ein als Freizeitspieler. Insgesamt geben sie so an Automaten etwa das Fünfzigfache aus im Vergleich zu einem Freizeitspieler. Dadurch kommt es zu den hohen finanziellen Verlusten von Spielsüchtigen, die kennzeichnend und erschwerend sind für ihre Problematik.

Befragungen von pathologischen Automatenspielern ergeben ein weltweit einheitliches Bild: die nach Köpfen kleine Gruppe der Spielsüchtigen sorgt für etwas mehr als die Hälfte des Branchenumsatzes ist damit die wesentliche Kundengruppe. Bei Befragungen zu Ausgaben für Glücksspiele kommt es jedoch regelmäßig zu Unterschätzungen, insbesondere bei pathologischen Spielern, denn Lügen über das Ausmaß des eigenen Spielens ist ein Definitionskriterium für Spielsucht.

Deshalb sind Daten realistischer, die sich aus dem tatsächlichen Verhalten von Spielern ergeben. Hierzu hat es in Australien sieben Studien gegeben. Ich habe deren sogenannten „Umsatzfaktor von Spielsüchtigen“ (im Vergleich zu Freizeitspielern) auf die deutschen Verhältnisse übertragen. Je nach verwendetem Umsatzfaktor der sieben australischen Studien und der Anzahl Spielsüchtiger aus deutschen Suchtprävalenzstudien ergibt sich hieraus ein Umsatzanteil mit spielsüchtigen Menschen zwischen 67 bis zu 90 Prozent durch problematische und pathologische Spieler.

Ohne die süchtigen Spielerinnen und Spieler würde das derzeitige Geschäftsmodell in den Spielhallen also gar nicht funktionieren. Wie kann vor diesem Hintergrund ein wirksamer Spielerschutz aussehen?

Die Anbieter haben ein sehr starkes finanzielles Interesse an der Kundengruppe der Spielsüchtigen. Wirksamen Spielerschutz von den Anbietern zu fordern, gleicht damit der Forderung nach „finanziellem Selbstmord“. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass unter den Spielsüchtigen in Beratungs- und Behandlungseinrichtungen lediglich ein Prozent (also jeder hundertste) durch das Personal der Anbieter angesprochen wurde – und das obwohl das Personal geschult wird und die Sozialkonzepte der Anbieter eine Ansprache von Spielern mit möglichen Problemen vorsehen.

Entsprechend kann wirksamer Spielerschutz in einem Markt, der von Ausgaben der Spielsüchtigen geprägt ist, nur durch eine anbieterunabhängige dritte Instanz erfolgen. Dies kann entweder der Gesetzgeber mit harten Vorgaben sein oder aber eine dem Gesundheitsministerium unterstellte Spielerschutzstelle mit ausreichend Befugnissen.

Die meisten Menschen, die sich wegen ihres Spielverhaltens an eine Beratungsstelle wenden, sind Automatenspielerinnen und -spieler. Wie erklärt sich dieses hohe Gefährdungspotenzial der Geldspielautomaten?

Spielautomaten werden in der Forschung oftmals als das „Crack“, „Kokain“ oder als das Heroin des Glücksspiels bezeichnet, da sie das mit Abstand höchste Suchtpotential aufweisen im Vergleich zu traditionellen Glücksspielen. Dies liegt daran, dass die Zufallsmechanismen bei Automaten (im Vergleich zu Spielen mit festen Regeln) frei programmiert werden können und so ausgerichtet werden, dass die Spieler möglichst lange an dem Automaten spielen. Hinzu kommt eine extrem schnelle Spielgeschwindigkeit, die für einen ständigen Strom an positiven Verstärkungseffekten in Form von Kleingewinnen sorgt. Solche Effekte werden zudem künstlich durch überproportional häufige sogenannte „Fast-Gewinne“ – es fehlt nur ein Symbol zum Jackpotgewinn – hervorgerufen, die im menschlichen Gehirn ähnlich wie tatsächliche Gewinne wirken. Darüber hinaus dienen die Ton-, Licht- und Farbeffekte der Automaten bei Gewinnen einer pavlovschen Konditionierung der Spieler.

All diese Elemente sind genauso bei Onlinecasinospielen möglich und dort sogar noch gefährlicher, da die Verfügbarkeit noch höher ist als bei gewerblichen Automaten – 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche und auch unterwegs per Smartphone zu erreichen.

Welche rechtlichen Maßnahmen wären Ihrer Meinung nach notwendig, um die Glücksspielproblematik in Deutschland insgesamt einzudämmen?

Ein wirksamer Spielerschutz durch regulatorische Maßnahmen ist gewährleistet, wenn
1. keine Automaten außerhalb von Casinos aufgestellt werden dürfen
2. eine wirksamen Rechtsdurchsetzung gegen dann entstehende Hinterzimmercasinos besteht
3. das Verbot von Onlineglücksspielen wirksam durchgesetzt wird
4. Sportwetten ausschließlich für Ergebniswetten mit niedrigen Verlustgrenzen pro Monat und einem Selbstlimitierungssystem angeboten werden dürfen.Wie können Online-Glücksspiele reguliert werden?

In erster Linie bedarf es einer Durchsetzung des Rechts. Solange illegale Unternehmen ihre Spieler frei in Deutschland anbieten und auch im Fernsehen dafür werben können, ist keine wirksame Regulierung möglich – weder im Rahmen eines Verbots noch im Rahmen eines Lizenzsystems oder eines Staats“monopols“. Mit der Rechtsdurchsetzung steht und fällt daher jegliche Regulierung von Onlineglücksspielen. Ohne sie ist jede Diskussion über eine Regulierung des Marktes überflüssig.

Vielen Dank an Ingo Fiedler für die Beantwortung der Fragen.

 

1.    Menschen mit Migrationshintergrund haben Studien zufolge ein erhöhtes Risiko für ein problematisches oder pathologisches Spielverhalten. Wie lässt sich das erklären?


Zunächst einmal können Suchtgefährdung und -erkrankung jeden und jede in unserer Gesellschaft treffen. Bei Menschen mit Migrationshintergrund können die Migrationserfahrungen als belastender Umstand hinzukommen. Das erhöht aber nicht automatisch ein Krankheits- oder Suchtrisiko. Das gilt auch für die mögliche Entwicklung einer Glücksspielabhängigkeit.

Das Verlassen (müssen) der Heimat bringt eine Vielzahl von psychosozialen Belastungen mit sich, die meist nicht verarbeitet werden. Laut Psychotherapeutenkammer des Bundes (2012) erkranken Menschen mit eigener Migrationserfahrung um fast 60 Prozent häufiger an Depressionen. Erwiesenermaßen haben Kinder von MigrantInnen häufiger psychische Probleme als Kinder ohne Migrationshintergrund. Unter anderem treten bei ihnen Essstörungen um 50 Prozent häufiger auf. Die zweite Generation ist stark betroffen von der Migrationserfahrung der Elterngeneration und dem als belastend erlebten Werteverlust.

Es gibt eine Reihe von belastenden Lebensumständen und damit potentiell suchterhöhenden Faktoren, von denen Menschen mit Migrationshintergrund stärker und häufiger betroffen sind, wie etwa Diskriminierung, Chancenungleichheit in Schule und Beruf,
ein unsicherer Aufenthaltsstatus und oftmals Segregation in den Stadtteilen. Alle diese Umstände können eine Suchtentstehung und damit auch ein problematisches Spielverhalten begünstigen. Deshalb müssen Menschen mit Migrationserfahrungen, die Probleme mit Glücksspielen haben, auch kultursensibel beraten und behandelt werden.

2.    Können Sie an einem konkreten Beispiel erläutern, wie sich bei einer Person mit Migrationserfahrung ein riskantes Spielverhalten entwickeln kann?

Als Beispiel nehmen wir mal einen jungen Mann aus der Türkei, der eine türkischstämmige Deutsche heiratet und aufgrund der Heirat nach Deutschland kommt. Die Ehefrau ist in Deutschland zur Schule gegangen, hier sozialisiert, hat eine Berufsausbildung abgeschlossen und ist berufstätig. Ihr Ehemann kommt als sogenannter „Importbräutigam“ nach Deutschland, spricht kaum oder kein Deutsch, hat in Deutschland kein soziales Netzwerk und keinen Job. Er ist auf das Geld seiner Ehefrau angewiesen. In traditionellen, kollektivistischen Gesellschaften ist das sozusagen der „Ruin“, denn der Mann kann nicht seinen finanziellen Teil für die Familie leisten. Außerdem kann er nicht nach außen kommunizieren und erlebt dadurch einen enormen Werteverlust (Stichwort: Ehre). Dieser Mann ist auf sich gestellt, wenn die Ehefrau arbeiten geht. Er entdeckt ein türkisches Café in seiner Straße, stellt fest, dass die Männer dort alle türkisch sprechen und in ähnlichen Verhältnissen wie er selbst leben. Er verbringt bald jeden Tag in diesem türkischen Café. Man trinkt viel Tee/ Kaffee miteinander, spielt Kartenspiele, schaut Sportsendungen. Aufregender wird es, wenn dann die Fußballwetten beginnen. Dieser Mann wird ein „Experte“ in Sachen Fußball. Da er wenige andere Alltagskompetenzen hat bzw. auslebt, beschäftigt er sich viel mit Sportereignissen und spielt immer häufiger. Durch das regelmäßige Spielen steigt dann sein Risiko, dass ihm das Thema entgleitet.

3.    Welche Migrationsgruppen sind von besonders stark gefährdet, ein problematisches Spielverhalten zu entwickeln, welche weniger?

Laut aktueller Studien, unter anderem der SCHULBUS-Studie aus Hamburg sind vor allem junge Männer aus dem orientalischen Raum (Türkei, Iran, Afghanistan usw.) eine gefährdetere Gruppe für problematisches oder pathologisches Spielverhalten. Aber es zeigen sich auch andere „Schwerpunkte“. So ist in Berlin die Gruppe der vietnamesischen Männer überrepräsentiert und in der Schweiz (Raum Zürich) sind männliche Tamilen auffällig.

4.    Über welche Zugangswege lassen sich diese Zielgruppen gut erreichen?

Wie für alle Menschen, gilt auch in diesem Fall: Am besten erreichen wir unsere „Zielgruppen“ über direkte Ansprache und vor allem Teilhabe. Am besten beteiligen wir die Menschen, um die es uns geht, bereits bei der Entwicklung von Konzepten und Strategien. Ein gutes Beispiel ist das Modellvorhaben transVer (transkulturelle Versorgung von Suchtkranken), das von 2009 bis 2012 bundesweit an sechs Modellstandorten durchgeführt wurde. Daraus entstand die Handreichung „Zugänge finden, Türen öffnen: transkulturelle Suchthilfe“. Des Weiteren bieten wir mit unserem Hamburger Projekt „Herkunft-Ankunft-Zukunft“ einen niedrigschwelligen Zugang zum Suchthilfesystem an.

Vor allem empfehle ich den Fachkräften immer, mit den Migrantenorganisationen in der unmittelbaren Nachbarschaft/Stadtteil zu kooperieren. Denn je nach Fall (Sprache, Komplexität der Aufgaben) kann man sich gegenseitig unterstützen und ergänzen. Das spart längerfristig Zeit und Beratungsabbrüche. Das ist in Flächenländern meist schwerer. In Hamburg gibt es aber überall in der Stadt Migrantenorganisationen (Beratungsstellen), die entsprechend dem Bezirk oder Stadtteil die vorhanden Herkunftssprachen vor Ort mit ihren Fachberaterinnen und Fachberatern abdecken. Diese Organisationen beraten die Menschen mit Migrationshintergrund in ihren Alltagsfragen, d.h. rechtlichen Fragen, Aufenthaltsstatus, Fragen zur Bildung, zum Arbeitslosengeld, Erziehung, Wohnanträgen usw.. Und sie informieren über weitere Unterstützungsmöglichkeiten, zum Beispiel über Hilfe bei Glücksspielproblemen.

Nicht zuletzt bietet SUCHT.HAMBURG mit der Kampagne Automatisch Verloren auch Informationen in verschiedenen Sprachen. So ist die Website in türkischer Sprache abrufbar.

Danke an Nida Yapar für die Beantwortung der Fragen. Nida Yapar ist Referentin für Suchtprävention und Kulturelle Vielfalt bei der SUCHT.HAMBURG.

Pathologisches Spielen? Die Einsätze steigen, die Kontrolle über die Spielgewohnheiten geht immer mehr verloren: klassische Zeichen eines problematischen Umgangs mit Glücksspielen. Das gilt für Männer ebenso wie für Frauen – bei der Diagnose einer Glücksspielsucht machen die gängigen Tests und Instrumente der Fachleute keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Ein kritischer Umgang mit Glücksspielen äußert sich jedoch bei Frauen teilweise anders als bei Männern. Das ist zumindest das Ergebnis einer australischen Studie, die vor kurzem veröffentlicht wurde.

Spieler sind öfter aggressiv

Ausgewertet wurden die Befragungsergebnisse von insgesamt fast 1.200 glücksspielenden Männern und Frauen, von denen knapp 350 ein problematisches Spielverhalten aufwiesen. Heraus kamen Unterschiede bei öffentlich gezeigten Verhaltensweisen: Männer berichteten vermehrt über aggressives Verhalten gegenüber Spielautomaten (zum Beispiel dagegen treten oder schlagen).

Außerdem seien sie häufig unhöflich gegenüber dem Personal in Spielhallen und versuchten, andere Spieler davon abzuhalten, an einem Automaten zu spielen, die sie als „ihren“ betrachteten (zum Beispiel weil sie dort eher einen Gewinn erwarten oder auch ansonsten an ihm spielen). Frauen zeigten dagegen häufiger (bzw. direkter) die Not, in der sie als problematische Spielerin steckten – zum Beispiel indem sie in der Öffentlichkeit weinten.

Rote Flaggen beim Spielverhalten

Insgesamt sei es bei Frauen einfacher, ein problematisches Spielverhalten zu erkennen, kommentierte die verantwortliche Studioleiterin Anna Thomas die Untersuchungsergebnisse. Bei Männern müsse man dagegen länger und genauer hinschauen, bis man Anzeichen für einen problematischen Umgang mit Glücksspielen erkennen könne. Denn zwischen problematischen und regulären (d.h. nicht problematischen) männlichen Spielern gebe es insgesamt weniger beobachtbare Unterschiede in Spielverhalten.

Die Studienleiterin spricht von „roten Flaggen“, die einen kritischen Umgang mit Glücksspielen anzeigen – und Grund dafür sein sollten, dass andere Menschen – insbesondere das Personal in Spielhallen und Spielbanken – einschreiten und das Gespräch mit diesen Gästen suchen. Rote Flaggen bei Spielerinnen sind ihrer Aussage nach vor allem: Anpumpen anderer Gäste sowie eine Vernachlässigung der Körperpflege. Bei Männern sind es ebenfalls Versuche, von anderen Gästen Geld zu leihen, die eine klare Grenze zwischen harmlosen Freizeitspielern und problematischen Spielern ziehen. Eine weitere rote Flagge bei Spielern: wenn sie vor Freunden und der Familie verheimlichten, dass sie in der Spielhalle sind.

Studienleiterin: Problematisches Spielverhalten früher erkennen

Um Missverständnissen vorzubeugen: Jede der genannten Verhaltensweisen (z.B. aggressives Verhalten oder Verheimlichen des Spielens) ist ein Warnzeichen für ein problematisches Spielverhalten. Aber offenbar haben einige von ihnen eine besonders deutliche Signalwirkung, bezogen auf das jeweilige Geschlecht.
Die Ergebnisse der Studie könnten dazu dienen, dass das Personal in Spielhallen und Spielbanken für Frühwarnzeichen problematischen Spielens noch besser sensibilisiert wird, so die Einschätzung von Anna Thomas.

Kritisch anzumerken ist, dass die Teilnehmenden der Studie vermutlich immer auch im Einklang mit ihrem Geschlechterbild geantwortet haben dürften. So ist es für Männer leichter, über Aggressionen in der Öffentlichkeit zu sprechen als für Frauen. Zugegeben, dass sie weinen, dürfte dagegen für Frauen einfacher sein. Diese Kritik zum Trotz: Es ist sinnvoll, den Blick für Frühwarnzeichen pathologischen Spielens zu schärfen – und anzuerkennen, dass es dabei Verhaltensunterschiede (zum Beispiel zwischen den Geschlechtern) geben kann.

Spielerschutz: Oft hapert es an der Umsetzung

Bleibt zu hoffen, dass die verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Spielorten dem Erkennen dann auch Taten folgen lassen – und (je nach Glücksspielart und Gesetzgebung des Landes) auf das beobachtete Verhalten reagieren: durch Gespräche oder falls möglich auch Fremdsperren. Erfahrungen in Deutschland zeigen, dass dies noch viel zu selten geschieht. So gibt es insgesamt vergleichsweise wenige durch das Personal veranlasste Fremdsperren in deutschen Spielbanken.
Wie sich Spielerinnen und Spieler selber helfen können, zum Beispiel indem sie sich beraten lassen oder eine Selbstsperre einleiten, lesen Sie unter Hilfe und Beratung.


Quelle:

Delfabbro, P., Thomas, A., & Armstrong, A. (2017). Gender differences in the presentation of observable risk indicators of problem gambling, Journal of Gambling Studies, DOI: 10.1007/s10899-017-9691-5 https://www.eurekalert.org/pub_releases/2017-06/s-hds060117.php

Immer genauer verstehen Wissenschaftler, was im Gehirn von Glücksspielern vorgeht, wenn sie zum Beispiel am Automaten stehen oder im Internet um Geld spielen. Oftmals bestätigen die Arbeiten der Hirnforscher auch bereits bekannte Zusammenhänge, wie jetzt zwei kürzlich veröffentlichte Untersuchungen zeigen. In dem einen Fall geht es um die Bedeutung der Selbstkontrolle beim Glücksspielen. In der anderen Studie konnte nachgewiesen werden, wie blinkende Lichter und eingängige Sounds am Spielautomaten problematisches Spielverhalten verstärken können. Wir stellen die beiden Untersuchungen vor und zeigen, was sie für die Praxis von Suchtberatern und Spielern bedeuten können.

Sind die Gehirne von Risikospielern anders verdrahtet?

Wenn jemand nicht kontrollieren kann, wie lange und um wie viel Geld er spielt, ist das ein ernstzunehmendes Signal für ein problematisches Spielverhalten: Kontrollverlust zählt zu den Hauptsymptomen einer Abhängigkeitserkrankung. Forscher der Stanford University haben jetzt bei unkontrolliert spielenden Menschen („Risikospielern“) andere Aktionsmuster und -strukturen im Gehirn entdeckt als bei Personen, die kontrolliert spielen. Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren fand man eine Verbindung zwischen zwei Hirnregionen, die zuvor nur bei Tierversuchen nachgewiesen werden konnte. Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um die Verbindung zwischen einem Bereich, der für die Selbstkontrolle wichtig ist und einer Region, die zum sogenannten Belohnungssystem gehört. Die Forscher stellten fest, dass die Verbindung zwischen den beiden Hirnregionen bei kontrolliert spielenden Menschen dicker war als bei Risikospielern. Das könnte erklären, warum erstgenannte ihr Verhalten besser steuern können.

Kontrolle von Impulsen lässt sich trainieren

Aus anderen Untersuchungen von Hirnforschern weiß man inzwischen, dass sich das Gehirn auch im höheren Erwachsenenalter noch verändern kann, zum Beispiel durch Übungen zur Impulskontrolle. Zentraler Bestandteil jeder Therapie von problematischen Glücksspielen ist daher die Kontrolle von Spielimpulsen und der erfolgreiche Umgang mit Spielanreizen in der Umgebung (wie etwa der Leuchtreklame einer Spielhalle oder der Glücksspielwerbung im Internet). Der Logik der Hirnforscher folgend, könnte dieses Training der eigenen Kontrollfähigkeit mit der Zeit zu einer Stärkung der Nervenverbindung zwischen steuernden und belohnenden Instanzen im Gehirn führen.

Wenn Automatengeräusche zu Schlüsselreizen werden

Wer schon einmal in einer Spielhalle oder im Automatenbereich einer Spielbank war, weiß, dass dort ein permanentes Licht- und Soundkonzert auf einen wartet. Von dem Einfluss dieser Signale auf das Spielverhalten berichten zum Beispiel Menschen, die eine Therapie zur Bewältigung ihrer Glücksspielsucht machen. Die typischen Automatengeräusche sind für sie zu Schlüsselreizen geworden, die sie zum Spielen verlocken. Es erfordert von den Betroffenen – vor allem anfangs – oft  viel Selbstkontrolle, sich diesen Verlockungen zu entziehen. Das beobachteten jetzt auch Forscher in einem Tierexperiment, bei dem sie Ratten in einer Spielbank-Simulation um Belohnungen spielen ließen. Dabei handelte es sich natürlich nicht um Geld, sondern in diesem Fall um eine süße Flüssigkeit, die die Tiere für ein gewonnenes Spiel bekamen.

Studie: Licht und Sound verstärken die Bindung an Glücksspiele

Üblicherweise lernten die Tiere in dem Experiment schnell, riskante Spielweisen zu vermeiden. Nicht jedoch,  wenn der Spielaufbau um Töne und blinkende Lichtreize ergänzt wurde. Denn dann spielten die Tiere deutlich riskanter. Dass es sich bei diesen Risikospielen um ein abhängiges Verhalten handelt, wollten die Wissenschaftler damit beweisen, dass sie den Ratten ein Medikament gaben, das die Aktivität eines bestimmten (Dopamin-) Rezeptors im Gehirn blockiert. Dieser Rezeptor wird von Experten mit Abhängigkeitsverhalten in Verbindung gebracht. Und siehe da: Das problematische Spielverhalten der Tiere konnte durch die Medikamentengabe gestoppt werden. Dieser Effekt zeigt sich jedoch nicht, wenn die Tiere zuvor ohne Ton und Licht im Ratten-Casino gespielt hatten – für die Forscher ein Hinweis, dass Reize wie „Jingles“ oder Blinkleuchten zu abhängigem bzw. problematischem Spielverhalten beitragen. Für die Therapie von spielsüchtigen Menschen bedeutet dies, dass sie die entsprechenden Reize zunächst meiden sollten. Und dass sie lernen, zum Beispiel mit blinkender Glücksspielwerbung im Internet umzugehen.
Die Studien zeigen: Regelmäßiges Glücksspielen hinterlässt Spuren im Gehirn. Diesen Veränderungen sind Spieler aber nicht hilflos ausgeliefert. Durch längere Spielpausen oder einer Abstinenz vom Spielen, können sie ihnen entgegen wirken.

Auf der folgenden Seite finden Sie vertiefende Informationen zu Thema Glücksspielsucht.


 

Quellen:
University of British Columbia. "Flashing lights, music turn rats into problem gamblers." ScienceDaily. ScienceDaily, 20 January 2016. www.sciencedaily.com/releases/2016/01/160120111517.htm.
Stanford University. "Odds are good that risky gambling choices are influenced by a single brain connection." ScienceDaily. ScienceDaily, 8 January 2016. www.sciencedaily.com/releases/2016/01/160108083800.htm.

 

„Wenn ich am Automaten stand, habe ich von meiner Umwelt überhaupt nichts mehr mitbekommen. Das war wie in einem Tunnel. Wenn ich gespielt habe, gab es nur mich und den Automaten“, erzählt Manuel*, ehemaliger Glücksspieler, inzwischen seit vier Jahren spielfrei.

Nur der Automat und ich

„Einmal schaute ich beim Spielen kurz zur Seite und da stand meine Freundin. Ich habe sie gefragt: Wie lange stehst du da schon? Bestimmt seit zehn Minuten, sagte sie. Das fand ich schon krass. Ich habe das überhaupt nicht mitbekommen“, berichtet Manuel kopfschüttelnd weiter.

Von diesem „Eintauchen in das Spiel“ sprechen viele Automatenspieler. Manche beschreiben diesen Zustand auch als eine Art „Trance“, bei der alles andere verschwindet: die Probleme des Alltags zum Beispiel oder auch die anderen Gäste der Spielhalle oder Spielbank. Liegt darin mit ein Grund dafür, dass es gerade die Automatenspiele sind, die so einen großen Sog auf Spieler ausüben? Schließlich haben ungefähr drei von vier Menschen, die wegen einer Glücksspielproblematik in Behandlung sind, am Automaten gespielt.

Fachleute gehen davon aus, dass der Effekt des Eintauchens in das Spielgeschehen zumindest erheblich zu der starken Bindung zwischen Spieler und Automaten beiträgt. Sie nennen diese Wirkung auch „Immersion“. Auch bei Computerspielen, die nicht in die Kategorie Glücksspiele fallen, lässt sich dieses „Hineinziehen“ in virtuelle Realitäten beobachten. Der Effekt ist mit verantwortlich dafür, dass manche Menschen viele Stunden vor dem Bildschirm verbringen.

Studie: Spielen für die Wissenschaft

In einer Studie wurde jetzt die Sogwirkung von Automatenspielen genauer untersucht. Zwei verschiedene Gruppen nahmen an einem Experiment teil: erfahrene (darunter auch problematisch spielende) Glücksspieler sowie Personen, die in ihrem bisherigen Leben noch nie oder zumindest wenig gespielt hatten. Alle Teilnehmenden wurden gebeten, an extra für die Studie präparierten Automaten zu spielen.

An diesen Automaten war vorher seitlich eine Art Bildschirm angebracht worden, auf dem geometrische Figuren zu sehen waren, die ihre Form wechselten. Die Aufgabe der Studienteilnehmer bestand nun darin, am Automaten zu spielen und außerdem parallel dazu jedes Mal auf einen Knopf zu drücken, wenn sich auf dem seitlichen Bildschirm ein weißer Kreis in ein rotes Quadrat verwandelte.

Nach dem Spiel wurden alle Teilnehmenden befragt, wie sie das Spielen erlebt haben. Die Forscher waren gespannt: Würden problematische Spieler vermehrt über eine Art „Trancezustand“ berichten? Und würde es bei ihnen häufiger vorkommen, dass sie die Zeit vergaßen? Außerdem: Wie würden die problematischen Spieler bei der anderen Aufgabe, dem Knopfdrücken, abschneiden?

Um diese Frage gleich als erstes zu beantworten: Den Problemspielern gelang es seltener – zeitgleich zum Spielen – die Taste zum richtigen Zeitpunkt zu drücken. Und das obwohl es bei Automatenspielen nicht etwa um Konzentration oder Geschicklichkeit geht – der Ausgang des Spiels dort hängt alleine vom Zufall ab.

Dennoch standen diese Spieler so sehr im Bann des Automaten, dass sie die parallele Geschicklichkeitsaufgabe schlechter erledigten. So lautet zumindest die Interpretation der Forscher. Dazu passen die Ergebnisse der anschließenden Befragung der Teilnehmenden: Die Problemspieler berichteten häufiger darüber, dass sie sich wie in einer Trance befanden und die Zeit über das Spielen vergaßen.

Die Sogwirkung des Automaten lässt sich „abtrainieren“ – durch Beratung & Therapie

Die Ergebnisse sind kein Beleg dafür, dass der „Effekt des Eintauchens in die Automatenwelt“ (mit) eine Ursache für das hohe Risiko von Automatenspielen ist. Theoretisch kann dieser stärker ausgeprägte Effekt bei den Problemspielern auch eine Folge ihres Spielens sein.

Dennoch weist die Studie die Sogwirkung des Automaten nach. Umso wichtiger sind beispielsweise Spielpausen, in denen die betreffenden Personen wieder „zu Sinnen“ kommen können. In einer Therapie lernen pathologische Spieler, wie sie sich der Sogwirkung des Automaten entziehen können. Ein erster guter Schritt in Richtung Unabhängigkeit ist ein Anruf bei der Helpline Glücksspielsucht.



Quelle:

W. Spencer Murch, Stephanie W. M. Chu, Luke Clark. Measuring the Slot Machine Zone With Attentional Dual Tasks and Respiratory Sinus Arrhythmia.. Psychology of Addictive Behaviors, 2017; DOI: 10.1037/adb0000251

* = Name von der Redaktion geändert

In Deutschland beteiligen sich weniger Menschen an Glücksspielen als in zurückliegenden Jahren; die Zahl der Personen mit einem problematischen oder pathologischen Spielverhalten ist in etwa auf dem gleichen Niveau geblieben: So lassen sich die Ergebnisse einer aktuellen Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) grob zusammenfassen. Ein wichtiger Zusatz fehlt dabei allerdings noch: Unter jungen Männern sind nach wie vor viele problematische und pathologische Spieler zu finden. Unter anderem nehmen sie vermehrt an illegalen Sportwetten teil: Bei einer Befragung im Jahr 2013 hatten knapp sechs Prozent (5,7%) der 18- bis 20-jährigen Männer in einem Zeitraum von zwölf Monaten mindestens einmal eine illegale Sportwette abgeschlossen. Im Jahr 2015, dem Untersuchungszeitraum der aktuellen BZgA-Studie, hat sich diese Quote nun mehr als verdoppelt und stieg auf fast 13 Prozent (12,8%). Für Peter Lang, Abteilungsleiter in der BZgA, bietet das Glücksspielverhalten junger Männer in Deutschland „weiterhin Anlass zur Sorge“.

Männer spielen häufiger und riskanter als Frauen

Nach wie vor spielen mehr Männer als Frauen und auch die meisten Problemspieler sind männlich. So haben 43,3 Prozent der in Deutschland lebenden Männer innerhalb eines Jahres mindestens einmal an einem Glücksspiel teilgenommen. Bei Frauen lag dieser Prozentsatz bei 31,3 Prozent.
Männer spielen häufiger und mehr als Frauen – und auch kritischer: Die Quote problematisch oder pathologisch spielender Männer ist deutlich höher als bei Frauen. In zwei Altersgruppen gibt es besonders viele Männer mit riskantem Spielverhalten. Im Alter zwischen 21 und 25 Jahren sind 2,7 Prozent mindestens problematisch spielender Männer zu finden, unter 36- bis 45-jährigen Männern sind es 2,4 Prozent. Zum Vergleich: In der Allgemeinbevölkerung liegt der Anteil der mindestens problematisch spielenden Personen bei 0,8 Prozent. In den genannten Altersgruppen gibt es demnach etwa drei Mal so viele Männer mit einem kritischen Spielverhalten wie in der übrigen Bevölkerung.

Bis zu 676.000 Problemspieler in Deutschland

Auch eine Hochrechnung, wie viele Menschen in Deutschland die Kontrolle über ihr Spielverhalten verloren haben, wagt die BZgA. Ihrer Schätzung nach gibt es in unserem Land zwischen 308.000 und 676.000 problematische oder pathologische Spieler und Spielerinnen im Alter zwischen 16 und 70 Jahren. Betrachtet man diese Personengruppe genauer, zeigt sich, dass bestimmte Merkmale bzw. Eigenschaften dabei besonders häufig vorkommen. Der erhöhte Männeranteil wurde bereits beschrieben. Weitere „Risikofaktoren“ für Probleme mit Glücksspielen: Alter bis 25 Jahre, niedriger Bildungsstatus und Migrationshintergrund. Und auch bestimmte Glücksspielarten zeigten sich als besonders riskant, darunter Automatenspiele und Sportwetten. Diese Tendenz ergab sich auch in früheren Untersuchungen: Wer vor allem am Geldspielautomaten spielt, ist im Allgemeinen gefährdeter als zum Beispiel ein Lottospieler oder eine Lottospielerin. Vor diesem Hintergrund ist ein weiteres Ergebnis der Studie erfreulich: Die Zahl der Automatenspieler ist – seitdem die BZgA ihre Befragung durchführt – erstmalig gesunken: von 3,7 auf 2,6 Prozent.

Trotz Verbot: Knapp 15 Prozent der Jugendlichen beteiligen sich an Glücksspielen

Für Jugendliche ist die Teilnahme an Glücksspielen grundsätzlich verboten. So dürfen sie Spielbanken und Spielhallen nicht betreten und auch bei Lotterien nicht mitmachen. Das gilt auch für die harmlos erscheinenden Rubbellose. Eine etwaige Erlaubnis oder Vollmacht der Eltern ist nicht gültig. Die Regeln sind also klar. Dennoch gibt es nach wie vor Minderjährige, die sich an Glücksspielen beteiligen. Das zeigt auch die Studie der BZgA. Befragt wurden 16- und 17-jährige Jugendliche. 14,6 Prozent von ihnen hatten innerhalb eines Jahres mindestens einmal ein Glücksspiel gespielt – ein Prozentpunkt weniger als noch vor zwei Jahren. Ungefähr jeder zehnte Jugendliche hat an Sofortlotterien (Rubbellose) teilgenommen. Interessant: Auch unter Jugendlichen zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern. So sind in der Befragung einige männliche Jugendliche identifiziert worden, die in ihrem Alter bereits ein problematisches Spielverhalten zeigen. Unter den gleichaltrigen Mädchen fanden sich dagegen keine Problemspielerinnen.

Fazit: Insgesamt wird in Deutschland weniger gespielt, die Zahl der riskant spielenden Menschen bleibt verhältnismäßig hoch.


 

Quelle: Haß, Wolfgang & Lang, Peter (2016). Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland. Ergebnisse des Surveys 2015 und Trends. Forschungsbericht der BZgA. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Mehr als 40 Milliarden Umsatz alleine auf dem legalen deutschen Glücksspielmarkt, Zuwächse bei fast allen Glücksspielarten und etwa eine halbe Million Menschen, die die Kontrolle über ihr Spielverhalten verloren haben: Das ist die Kurzform der Glücksspielstatistiken, die gerade im aktuellen „Jahrbuch Sucht“ veröffentlicht wurden. Entstanden ist ein interessanter Überblick über Gewinner und Verlierer des deutschen Glücksspielwesens.

Glücksspielmarkt wächst stärker als das Bruttoinlandsprodukt

Glücksspiele sind in Deutschland ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Der Gesamtumsatz auf dem regulierten Glücksspielmarkt betrug im Jahr 2015 über 40 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen Anstieg um 3,9 Prozent. Prof. Gerhard Meyer, der die Glücksspieldaten für das Jahrbuch Sucht zusammengetragen hat, zieht als Vergleichswert das Wachstum in der deutschen Wirtschaft heran: Dieses lag im gleichen Jahr bei 1,7 Prozent. Der deutsche Glücksspielmarkt ist demnach stärker gewachsen als die übrige Wirtschaft. Nahezu jede Glücksspielsparte hat von 2014 auf 2015 zugelegt. Eine Ausnahme bilden Pferdewetten und Fußballtoto (als Angebot des Deutschen Lotto- und Totoblocks).

267.000 Geldspielautomaten in Deutschland

Umsatztreiber Nummer 1 sind ganz eindeutig die Geldspielautomaten. Mit ihnen werden fast zwei Drittel des Gesamtumsatzes (62,8 Prozent) auf dem regulierten Glücksspielmarkt gemacht. Das sind über 25 Milliarden Euro pro Jahr, ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 2,7 Prozent. Kein Wunder, dass mit  Automatenspielen so viel Umsatz gemacht wird, denn es gibt in Deutschland sehr viele davon: Im Jahr 2014 (aktuellere Daten liegen derzeit nicht vor) wurden ungefähr 267.000 Geldspielautomaten gezählt. Fachleute sind sich einig: Automatenspiele gehören zu den riskantesten Glücksspielarten überhaupt. Unter anderem liegt das an der sehr kurzen Dauer bis zur Ausschüttung eines (eventuellen) Gewinns und der hohen sogenannten „Ereignisfrequenz“. Letzteres bedeutet, dass die Spiele schnell hintereinander folgen. Die Kontrolle über das eigene Spielverhalten fällt dadurch umso schwerer.

Ein riskantes Glücksspiel in so hoher „Stückzahl“, dazu die oben genannten Summen, die in die Geräte geschmissen werden: Für die Anbieter von Glücksspielen geht die Rechnung  auf. Die Bilanz auf Seiten der betroffenen Spielerinnen und Spieler ist dagegen verheerend.

Große Mehrheit der Hilfesuchenden hat am Automaten gespielt

Drei von vier Menschen (ganz genau sind es 72,2 Prozent), die sich wegen einer Glücksspielproblematik an eine Beratungsstelle wenden, haben in erster Linie am Automaten gespielt. Automatenspiele sorgen also nicht nur für das größte Stück vom Umsatzkuchen (und hohe Steuereinnahmen), sondern sind auch das Hauptproblem der sprichwörtlichen Verlierer des deutschen Glücksspielwesens: die Spielerinnen und Spieler, die am Ende einer „Karriere“ oft mit  zerrütteten Familienverhältnissen und massiven Verschuldungen dastehen.

Zwei von drei pathologischen Spielern haben Schulden

Glücksspiele sind dadurch gekennzeichnet, dass es hohe Gewinne und Verluste geben kann und sich die Vermögenswerte von Spielerinnen und Spielern innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit verschieben können. In den allermeisten Fällen verschieben sie sich in genau eine Richtung: von den Spielenden weg, zu den Anbietern von Glücksspielen.

Bei pathologischen Spielern sind deshalb oft hohe Schuldenstände zu beklagen. Nur ein Drittel (33,6 Prozent) derjenigen, die sich mit der Diagnose „Pathologisches Glücksspielen“ an eine Beratungsstelle wenden, haben gar keine Schulden. Die übrigen zwei Drittel sind dagegen – zum Teil hoch – verschuldet. Vergleicht man diesen Wert einmal mit den Schulden, die zum Beispiel alkoholabhängige Menschen haben, wird die besondere Verschuldungsproblematik bei Spielern deutlich. Bei alkoholabhängigen Personen sind es nämlich 75,2 Prozent, die zum Zeitpunkt ihrer ambulanten Behandlung keine Schulden haben.

Zwei weitere Vergleichswerte: Zehn Prozent der ambulant betreuten Spielerinnen und Spieler haben bis zu 50.000 Euro Schulden, bei weiteren 6 Prozent übersteigt der Schuldenberg die Grenze von 50.000 Euro. Bei alkoholabhängigen Menschen liegen die Prozentanteile der hoch verschuldeten Personen deutlich niedriger: 2,3 Prozent haben bis zu 50.000 Euro Schulden, 1,9 Prozent liegen darüber. Beim Vergleich mit anderen Abhängigkeitsformen zeigt sich ein ähnliches Bild: Pathologisches Glücksspielen reißt erwartungsgemäß das größte Loch in die Kasse. Leidtragende sind neben den Spielern natürlich auch die Angehörigen, insbesondere die Kinder und natürlich häufig auch die Gläubiger. Eine Schuldnerberatung ist deshalb häufig Bestandteil einer Beratung von Spielerinnen und Spielern. Hier finden Sie einen Überblick der Beratungs-und Behandlungsangebote in Hamburg.


Quelle:
Meyer, G. (2017): Glücksspiel – Zahlen und Fakten. In: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.): Jahrbuch Sucht 2017. Lengerich: Pabst.

Wie können Spielerinnen und Spieler wirkungsvoll vor den Risiken geschützt werden, die mit Online-Glücksspielen verbunden sind? Schon seit geraumer Zeit wird diese Frage von Fachleuten diskutiert. Eine zufriedenstellende Lösung ist bisher allerdings noch nicht in Sicht.

Wie kann Spielerschutz im Internet gelingen?

Die größte Herausforderung beim Spielerschutz im Internet: Wer im Internet um Geld spielt, tut dies meist alleine. Ein kritisches Spielverhalten fällt also erst einmal niemandem auf – anders als zum Beispiel in Spielbanken oder Spielhallen, in denen geschultes Personal eingreifen könnte. Zwar zeigen Praxistests, dass diese Form des Spielerschutzes von den Verantwortlichen in den Spielstätten oftmals nicht eingehalten wird. Aber immerhin ist dort die Möglichkeit gegeben, während beim Onlinespielen das Einschreiten theoretisch nur vom Computer selbst ausgehen könnte. Ein englisches Forschungsteam hat sich genau das zur Aufgabe gemacht und ein System entwickelt, mit dem bei Online-Glücksspielern ein kritisches Spielverhalten gemessen werden kann. Auf Basis dieser Messung könnten die Spielenden dann zum Beispiel eine warnende Meldung bekommen oder sogar automatisch gesperrt werden, wenn sie eine kritische Grenze überschreiten. Eine weitere Schutzmöglichkeit, die von den englischen Wissenschaftlern diskutiert wird: Personen, bei denen das Frühwarnsystem anschlägt, könnten eine Zeit lang von Glücksspielwerbung „verschont“ werden.

Frühwarnsystem deckt kritische Spielmuster auf

Mit künstlicher Intelligenz gegen die Risiken von Online-Glücksspielen vorgehen: Nach Aussage der Studienverantwortlichen ist man diesem Ziel mit dem Frühwarnsystem deutlich näher gerückt. Sie sprechen von einer Trefferquote von 87 Prozent. Das bedeutet: In 87 von 100 Fällen gibt das System zu Recht ein Warnsignal ab. Und so wurde das Frühwarnsystem entwickelt: Die Fachleute machten sich die Möglichkeit der freiwilligen zeitweisen Sperrung zunutze, die bei englischen Anbietern von Online-Glücksspielern besteht. Sie untersuchten zunächst das Spielverhalten von Menschen, die sich in der Vergangenheit freiwillig sperren ließen. Die kritischen Spielmuster, die einer Selbstsperrung vorausgingen, wurden zur Grundlage des neu entwickelten Computerprogramms: Das System zeichnet im Hintergrund das Spielverhalten auf und wenn sich ein (bekanntes) kritisches Muster zeigt, schlägt es Alarm.

„Automatisierter Spielerschutz“: vorerst Zukunftsmusik

Automatisierter Spielerschutz – ein schwieriges Unterfangen. „Lückenlos“ wäre eine solche Maßnahme sicherlich nicht umzusetzen. Denn Personen, die Online-Glücksspiele spielen, tun dies oft parallel bei mehreren Anbietern und könnten im Falle einer zeitweisen Sperrung einfach die Plattform wechseln. Sie könnten sich dafür eine andere Identität zulegen (zum Beispiel eines Familienangehörigen), eine weitere Lücke im Online-Spielerschutz. Und wie will man Unternehmen verpflichten (und überwachen), die ihr Geschäft illegal, meist aus dem Ausland, betreiben? Online-Glücksspiele sind in Deutschland verboten. Schon allein deshalb dürfte ein „automatisierter Spielerschutz“ hierzulande in nächster Zeit wohl kaum ernsthaft diskutiert werden. Auch der Datenschutz dürfte eine computerbasierte Lösung erschweren.

Frühwarnzeichen eines kritischen Spielverhaltens
Umso wichtiger ist es, über die Risiken von Online-Glücksspielen Bescheid zu wissen.  Frühwarnzeichen können nicht nur von Computerprogrammen bemerkt werden, sondern natürlich auch von uns Menschen. Typische Anzeichen eines kritischen Spielverhaltens sind:

  • Es wird gespielt, um negativen Stimmungen oder Problemen aus dem Weg zu gehen.
  • Die betreffende Person lügt andere Menschen an, wenn es um das Ausmaß der Spielproblematik geht.
  • Bei Versuchen, das Spiel zu begrenzen oder einzuschränken, treten innere Unruhe oder Gereiztheit auf.

Diese Liste ist natürlich längst nicht vollständig. Wer eine erste Rückmeldung zu seinem Spielverhalten haben möchte, kann einen Selbsttest auf folgender Seite durchführen: https://www.check-dein-spiel.de/test/selbsttest/Hier finden Sie Beratungs- und Hilfsangebote in Hamburg.



Quelle:
Engineering and Physical Sciences Research Council (EPSRC). "Online gambling to get safer through better prediction of addiction." ScienceDaily. ScienceDaily, 23 October 2015. <www.sciencedaily.com/releases/2015/10/151023084506.htm>.

Jugendliche dürfen nicht um Geld spielen, gefährdete (und natürlich auch abhängige) Spieler sollen geschützt werden: Über die Ziele von Glücksspielgesetzen sind sich die (meisten) Entscheidungsträger einig. Strittig ist dagegen die Frage nach dem „Wie?“.

Spielerschutz? In Automatenhallen besonders problematisch!

Die meisten Menschen, die die Kontrolle über ihr Spielen verloren haben, sind oder waren Automatenspieler. Wenn einer dieser Spieler sich selber vor den Versuchungen durch Glücksspiele schützen will, kann er eine Sperre beantragen – allerdings meist nur für einzelne Spielhallen. Eine Ausnahme bildet beispielsweise das Bundesland Hessen: Dort können sich Spielerinnen und Spieler für alle Spielhallen des Bundeslandes sperren lassen. Sollte sie aber einmal in einem anderen Bundesland sein, gilt diese Sperre dort nicht.

Suchtexperten wissen, dass Spieldruck – also das starke Verlangen nach Glücksspielen – gerade in den ersten spielfreien Monaten praktisch jederzeit aufkommen kann. Wenn jemand an einer Spielhalle vorbeigeht, kann es deshalb „brenzlig“ werden. Schaut man sich einmal in einer x-beliebigen Stadt um, wird deutlich, dass es fast unmöglich ist, von A nach B zu gelangen, ohne an einer Automatenhalle vorbeizukommen. Auch Praxistests zeigen, dass der Spielerschutz in den Spielhallen Lücken aufweist.

Derzeit sind wieder einige Ideen im Umlauf, wie der Spielerschutz verbessert werden soll, nicht nur in Spielhallen:

Gesichtsscanner

Spielhallenbetreiber in Berlin planen den Einsatz von technischen Geräten, mit denen erkannt werden soll, ob ein Gast zum Beispiel zu jung oder für die Halle gesperrt ist – sogenannte „Gesichtsscanner“. In den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sind die Geräte bereits vereinzelt im Einsatz.

Für das Personal in den Spielhallen dürfte die automatisierte Eingangskontrolle eine Erleichterung sein – ihnen wird der Abgleich mit der Sperrdatei abgenommen und eine Ausweiskontrolle ist nur noch dann nötig, wenn der Scanner anzeigt, dass der Gast möglicherweise zu jung ist. Außerdem würde durch das technische Gerät garantiert, dass wirklich jeder Gast beim Einlass kontrolliert wird. Bleibt die Frage nach dem Datenschutz – und die Tatsache, dass mit den Scannern nur lokale Lücken geschlossen werden. Die Ausweichmöglichkeiten bleiben: Wer an einem Ort gesperrt wird, kann zum nächsten wandern.

Onlinesperren

In der Schweiz werden zukünftig Anbieter von illegalen Online-Glücksspielen gesperrt. Internet-Provider erhalten eine Liste von Glücksspielanbietern, die keine Lizenz haben und sollen sie dann für den Schweizer Markt sperren.

Man kann in der Schweiz also legal im Internet um Geld spielen, allerdings nur bei Anbietern mit einer Konzession. Ein Vorbild für Deutschland, wo Online-Glücksspiele ganz verboten sind, es aber doch so einige Schlupflöcher gibt? Wenn der Staat (mit) festlegt, welche Internetseiten jemand aufrufen kann und welche nicht, ist das für einige ein zu weit reichender Eingriff in die Freiheit des Einzelnen. Andererseits gibt es derzeit noch keine gute Alternative dafür, Konzessionen im Online-Bereich zu vergeben – und vor allem zu überwachen.

Konzessionen für Sportwetten – jetzt aber wirklich

Mitte März unterzeichneten die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten den Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag. Diese neue Fassung des Vertrages war vor allem deshalb notwendig geworden, weil die in der aktuell gültigen Version vorgesehene Experimentierklausel mit 20 Sportwettkonzessionen gerichtlich gescheitert war. Die wichtigste Neuerung deshalb: Die Zahl der Konzessionen wird nicht mehr auf 20 beschränkt.

Es dürften also deutlich mehr als 20 Konzessionen vergeben werden. Mehr legale Anbieter von Sportwetten, einer Glücksspielart mit hohem Risiko – ein Fortschritt beim Spielerschutz? Nur wenn dadurch der Schwarzmarkt deutlich kleiner werden sollte und die Anbieter mit Konzession sich strikt an die Spielerschutz-Regeln halten. Beides bleibt abzuwarten und muss kritisch überprüft werden!

Trotz aller Ideen und Maßnahmen zum Spieler- und Jugendschutz: Glücksspiele sind in Deutschland nur schwer zu bändigen. Das zeigen die Erfahrungen aus der Vergangenheit. Umso wichtiger, dass Betroffene wissen, wie sie sich schützen können und wo sie Hilfe bekommen.


Quellen:

http://www.tagesspiegel.de/berlin/gluecksspiel-in-berlin-spielhallenbetreiber-wollen-gesichtsscanner-einsetzen/19466728.html
http://www.focus.de/regional/berlin/gluecksspiele-berliner-spielhallen-wollen-gesichter-scannen_id_6729615.html
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Online-Gluecksspiel-Schweiz-fuehrt-trotz-viel-Kritik-Netzsperren-ein-3641814.html
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gluecksspiel-neue-regeln-fuer-sportwetten-1.3423223

Steigende Zahlen bei den Automatenspielern, ein erschwerter Spielerschutz im Internet und ein blühender (weil unregulierter) Sportwettenmarkt: Die Liste der aktuellen Herausforderungen bei der Bekämpfung von Glücksspielsucht ließe sich natürlich noch weiter fortsetzen. Zu Beginn des neuen Jahres wollen wir jedoch den Blick einmal auf mögliche Lösungswege werfen. Dafür lohnt ein Blick in den aktuellen Tätigkeitsbericht des „Fachbeirats Glücksspielsucht“, der im Herbst des vergangenen Jahres veröffentlicht wurde. Die Berufung des Fachbeirats ist im Glücksspielstaatsvertrag festgeschrieben worden. In ihm sitzen ausgewiesene Experten zum Thema Glücksspielsucht. Eine der Kernaufgaben des Fachbeirats besteht darin, Empfehlungen zur Verbesserung des Spielerschutzes und zur Vorbeugung von Glücksspielsucht zu entwickeln.

Fachbeirat fordert verbesserten Jugendschutz

In ihrem Bericht fordern die Experten des Fachbeirats eine deutliche Verbesserung beim Schutz von Jugendlichen vor den Risiken des Glücksspielens. Sie verweisen unter anderem auf einen Praxistest in Bremer Spielhallen, über den wir auch in einer News berichtet haben. Darin hatte sich unter anderem gezeigt, dass junge Testspieler häufig nicht nach ihren Ausweisen gefragt werden. Der Fachbeirat fordert deshalb lückenlose Einlasskontrollen in Spielhallen, außerdem ein Verbot von Spielautomaten in Gaststätten. Zudem müsse Jugendlichen das Spielen von Online-Glücksspielen effektiver als bisher verwehrt werden.

Lückenloser Spielerschutz durch ein deutschlandweites Sperrsystem für alle Glücksspielarten

Von Glücksspielautomaten in Gaststätten und Spielhallen geht ein besonders hohes Risiko aus. Das zeigt sich sowohl in Studien als auch in der täglichen Praxis von Suchtberatern. So benennt eine Mehrzahl der Menschen, die sich wegen ihres Spielverhaltens beraten lassen, die Automatenspiele als Kern ihrer Problematik. Befragungen ergeben zudem regelmäßig, dass es unter Automatenspielern einen stark erhöhten Anteil pathologischer Spieler gibt. Um die Risiken der Automatenspiele zu reduzieren, fordern die Experten die Einführung eines Sperrsystems, das für alle Glücksspielformen und in allen Bundesländern gelten soll. Bei jedem Besuch einer Spielstätte müsse die Identität des Gastes geprüft und mit der Sperrdatei abgeglichen werden. Weiterhin sollen die Spielgeräte durch eine Verringerung der maximalen Gewinn- und Verlustsummen sowie eine Drosselung der Spielgeschwindigkeit weiter entschärft werden.

Forderung nach einem einzigen Anbieter für Sportwetten

Im vergangenen Jahr hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel die im Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüÄndStV) festgeschriebene Vergabe von Lizenzen für Sportwettanbieter für unrechtmäßig beschieden. Der Vertrag sah eine Experimentierklausel vor, mit der das staatliche Monopol für Sportwetten bis Juni 2019 ausgesetzt und private Anbieter am Markt beteiligt werden sollten. Nachdem diese Klausel durch die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs nun als gescheitert gesehen werden muss, ist der Markt für Sportwetten weiterhin unreguliert. Vor diesem Hintergrund ist ein wirkungsvoller Spieler- und Jugendschutz bei Sportwetten nicht zu gewährleisten, wie der Fachbeirat in seinem Bericht deutlich macht. Er fordert deshalb die Beschränkung von Sportwetten auf einen einzigen staatlichen Anbieter.

Auch in der Werbung setzt der Fachbeirat auf eine konsequente Regelung: Werbung für Glücksspiele sollte gänzlich verboten werden, mit einer Ausnahme: In Geschäften bzw. an Annahmestellen könne noch (allerdings zurückhaltend) Werbung betrieben werden.

Kampagne Automatisch Verloren! informiert

Bis zur Umsetzung der zum Teil weit reichenden Forderungen des Fachbereichs Glücksspielsucht dürfte es noch ein weiter Weg sein. Auch die beschriebenen Missstände im Spieler-und Jugendschutz sowie der Prävention von Glücksspielsucht werden sicherlich noch länger bestehen bleiben. Umso wichtiger ist es, dass Spielerinnen und Spieler möglichst gut über die Risiken von Glücksspielen Bescheid wissen und gefährdete Personen die Beratungs- und Hilfsangebote kennen, die ihnen zustehen. Dazu will die Kampagne Automatisch Verloren auch im Jahr 2016 beitragen – durch umfangreiche Informations- und Beratungsangebote. Mit unserem Newsletter bleiben sie immer auf dem aktuellen Stand.


Quelle:

https://innen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdis/151002_-_taetigkeitsbericht_fachbeirat_2014_final_-_mit_aenderungen_rg_und_es_0.pdf

Wissenschaftliche Studien und Erfahrungen aus der Praxis zeigen: Die Entwicklung eines problematischen Spielverhaltens beginnt oft im Kindes- und Jugendalter. Prävention sollte deshalb bereits bei jungen Altersgruppen ansetzen und – unter anderem – auch Lehrerinnen und Lehrer aktiv einbinden. Wir haben mit Susanne Giese und Klaus Pape vom SuchtPräventionsZentrum (SPZ) Hamburg über ihre Erfahrungen auf diesem Gebiet gesprochen.

Sie haben im Rahmen Ihrer Präventionsarbeit an Schulen häufig Kontakt mit Kindern und Jugendlichen. Was bekommen Sie dort mit über deren Umgang mit Glücksspielen? Und: Was hat sich in dieser Hinsicht in den vergangenen Jahren verändert?

Glücksspiele sind vor allem ein Thema für männliche Jugendliche, insbesondere für Jungen bzw. junge Männer mit Migrationshintergrund. Berufsschüler betrifft die Thematik zum Beispiel deutlich stärker als Berufsschülerinnen.

In den letzten Jahren hat eine zunehmend unkontrollierbare Entwicklung hin zu Internet-Glücksspielen eingesetzt. Die kann man mal eben in der Pause, in der Bahn, auf dem Weg zur Schule oder Ausbildungsstätte oder mit Freunden „auf dem Sofa“ mit dem Smartphone spielen.
Wetten kann man nahezu auf und um alles, was einem gerade „in den Sinn“ kommt.

Die jüngsten Ergebnisse der SCHULBUS-Untersuchung 2015 (Schüler- und Lehrerbefragung zum Umgang mit Suchtmitteln, Th. Baumgärtner, Ph. Hiller 2016), die auch das Glücksspielverhalten der 14-17-jährigen Schülerinnen und Schüler in Hamburg untersucht hat, könnten eine Trendwende markieren: eine Trendwende dahingehend, dass zunehmend Jüngere Glücksspiele praktizieren. Die beliebtesten Glücksspiele laut dieser Untersuchung sind  Rubbellose, Poker, Sportwetten und Zahlenlotto (näheres unter www.sucht-hamburg.de).

Wie genau arbeiten Sie mit den Schülerinnen und Schülern?

Wir arbeiten zum einen ganz direkt mit Schülerinnen und Schülern, zum Beispiel im Stationen-Parcours zur Suchtprävention für Berufliche Schulen. Außerdem beraten wir Jugendliche und junge Erwachsene und deren Eltern in Einzelgesprächen.

Zum anderen qualifizieren wir Lehrkräfte darin, wie man die von uns in Kooperation mit anderen Bundesländern entwickelten Unterrichtsmaterialien zur Glücksspielprävention sinnvoll in Schulklassen einsetzen kann.

Worüber lassen sich Jugendliche für die Risiken von Glücksspielen sensibilisieren?

Durch das offene Gespräch, durch Reflexion und Information und dadurch, dass man an ihre unmittelbare Erfahrungen mit Glücksspielen anknüpft. Zentral ist dabei die Frage, welche Motive, Ziele und Funktionen sie mit dem Glücksspielen verbinden. Riskant ist immer, wie bei jedem anderen Konsummittel auch, der frühe Einstieg und der Versuch, mit diesem Verhalten schwierige Alltagssituationen und persönliche Probleme zu bewältigen.

Sehr aufmerksam werden die Schüler und Schülerinnen beim Thema Suchtentwicklung, zum Beispiel wenn es darum geht, dass Spielende oft vergeblich auf den großen und allerletzten Gewinn warten, der sie aus der Schuldenfalle reißt. Glücksspiele sind nun einmal so aufgebaut, dass in der Regel der Anbieter und seltener der Spieler gewinnt.

Woran merken Sie, dass Sie mit Ihrer Arbeit etwas bewirken?

Durch Rückmeldungen von Lehrkräften, die mit unseren Unterrichtsmaterialien gearbeitet haben. Zudem wurden die Materialien in 56 Klassen der Sek 1 und Sek 2/Berufliche Schulen erprobt und evaluiert, mit guten Ergebnissen*: Die Schülerinnen und Schüler haben hinterher mehr gewusst und haben außerdem über ihr eigenes Verhalten nachgedacht. Sie fanden den Unterricht spannend und haben die Inhalte später im regulären Unterricht noch einmal aufgegriffen.

Sie beraten auch Lehrerinnen und Lehrer zum Thema Glücksspielsucht. Wie können Sie hier weiterhelfen?

Hier geht es erstmal darum, genau hinzuschauen und die Anzeichen einer Glückspielsucht bzw. eines problematischen Spielverhaltens zu erkennen. Wenn den Lehrkräften etwas auffällt, kommt dann der zweite Schritt: die Beobachtungen angemessen ansprechen. Wir bieten daher Beratung oder Fortbildungen zur Frühintervention und zur Gesprächsführung an.

Prävention bedeutet für uns immer auch frühe Intervention, um ein (riskantes) Konsumverhalten rechtzeitig wahrzunehmen und Hilfen zum Ausstieg anbieten zu können.

An wen kann sich jemand wenden, der sich für Ihre Präventionsarbeit an Schulen interessiert?

Grundsätzlich können sich alle Hamburger Schulen zum Thema „Schulische Suchtprävention“ an das SuchtPräventionsZentrum wenden. Speziell zum Thema Glücksspiel bekommen Sie dann die eben erwähnten Materialien. Ein in Studien nachgewiesener Risikofaktor bei Glückspiel ist ja auch ein früh beginnendes exzessives Computerspielen. Die Grenzen zwischen den Genres verschwinden in diesem Bereich zunehmend. Daher ist die Prävention von exzessivem Computerspiel, für die wir viele Fortbildungen und Materialien anbieten, indirekt auch Prävention von Glückspiel und auch für jüngere Schülerinnen und Schülern wichtig (http://li.hamburg.de/unterrichtswerkstaetten/3023764/art-medienwerkstatt).

Um nachhaltig zu arbeiten unterstützen wir Schulen auch darin, ein suchtpräventives Gesamtkonzept zu entwickeln. Das umfasst neben den digitalen Medien auch Themen wie Tabak-, Alkohol- und Cannabiskonsum, Essstörungen und nicht zuletzt das Training von Lebenskompetenzen wie Selbst- und Fremdwahrnehmung, der Umgang mit Stress, Kommunikation, Problemlösestrategien etc.. Gerade beim Glücksspiel spielen Lebenskompetenzen als „Resilienzfaktor“ eine wichtige Rolle.

Danke für das Gespräch


Das SPZ unterstützt Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen bei der Suchtprävention. Mehr Informationen über die Arbeit des SPZ gibt es hier

* Kalke J, Buth S, Hiller P. Glücksspielsucht-Prävention an Schulen. Entwicklung und Evaluation eines Stationenparcours. Abhängigkeiten. Forschung und Praxis der Prävention und Behandlung 2012; 18 (3): 27-44.

Automatenspiele, Online-Gambling und problematisches Spielverhalten: Christiane Lieb, Geschäftsführerin der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS), zieht zum Jahresende Bilanz.

Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ist die Zahl der Glücksspieler und Glücksspielerinnen in Deutschland in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Sehen Sie Anzeichen dafür, dass es in Zukunft auch weniger Menschen mit einer Glücksspielsucht geben wird?

Nein, dafür sehe ich leider keine Anzeichen. Gerade bei riskanten Glücksspielarten ist die Zahl der Spielerinnen und Spieler sogar gestiegen, allen voran bei den Automatenspielen. Seit 2007 hat die Zahl der Menschen, die an gewerblichen Geldspielautomaten in Gaststätten und Spielhallen spielen, erheblich zugenommen. Bezogen auf die zurückliegenden zwölf Monate haben zwei Millionen Menschen in Deutschland an einem Automaten gespielt. Natürlich sind das nicht alles problematische oder pathologische Spieler. Aus vielen Studien und auch aus der Praxis wissen wir jedoch, dass die Automatenspiele zu den riskantesten Glücksspielarten überhaupt zählen und – wegen ihrer weiten Verbreitung – am stärksten zur Glücksspielproblematik in Deutschland beitragen. Gerade jetzt um die Weihnachtszeit herum wird wieder viel gespielt. So manch einer bringt sein Weihnachtsgeld in die Spielhalle oder die Spielbank.

Inzwischen sind auch Glücksspiele im Internet eine große Herausforderung für die Suchtprävention und Suchthilfe geworden. Für die Anbieter ist es ein Leichtes, den Jugend- und Spielerschutz zu unterwandern. Auch ist der oft fließende Übergang von Online-Gaming hin zu Online-Gambling ein Thema, das uns zukünftig wahrscheinlich mehr beschäftigen wird, als uns lieb ist. Wir haben auf diese Entwicklung in diesem Jahr mit einem neuen Informationsangebot zum Thema Online-Glücksspiele reagiert und auch anlässlich des Aktionstags Glücksspielsucht im September auf die Risiken von Online-Glücksspielen aufmerksam gemacht.

Worin bestehen denn die Risiken bei Glücksspielen, die im Internet gespielt werden?

Ganz grundsätzlich gibt es die Tendenz, dass Glücksspielangebote immer vielfältiger und für unterschiedliche Zielgruppen maßgeschneidert werden. Das ist im Internet natürlich einfacher als im terrestrischen Bereich. Hinzu kommt, dass Glücksspiele im Internet 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche und 365 Tage im Jahr verfügbar sind. Und das bequem von zu Hause aus und ganz anonym. Es fehlt dann die soziale Kontrolle, aber auch technisch gibt es kaum Möglichkeiten, das Spielen zu begrenzen. Der Zahlungsverkehr ist rein elektronisch, dadurch geht die Übersicht für den Spielenden über Einsätze und Verluste schnell verloren.

Ein weiterer Risikofaktor: Spiele können parallel gespielt werden, zum Beispiel an mehreren Online-Pokertischen gleichzeitig. Dabei können Spieler auch jederzeit betrogen werden: durch Absprachen zwischen anderen Spielern, die man ja nicht „zu Gesicht“ bekommt. Alle diese Faktoren begünstigen einen möglichen Kontrollverlust über das Glücksspielen – auch für die Aufsichtsbehörden. Es gibt nur wenige Möglichkeiten, das illegale Spielen im Netz zu begrenzen und das schwächt letztendlich den Spielerschutz.  

Wie viele Menschen sind denn von einer Glücksspielproblematik betroffen?

Wir gehen in Deutschland von ca. 800.000 Menschen mit einem problematischen oder pathologischen Spielverhalten aus. Mit „Spielen“ im eigentlichen Sinne hat das bei diesen Personengruppen allerdings wenig zu tun. Denn die Betroffenen verlieren immer mehr die Kontrolle über ihr Leben, meist mit sehr belastenden Auswirkungen: Zerrüttete Familienverhältnisse, Einsamkeit und hohe Schuldenstände sind eher der Normalfall als die Ausnahme bei pathologischen Spielern.

In Hamburg gibt es nach Schätzungen ungefähr 12.000 Personen, deren Glücksspielverhalten in einem eindeutig kritischen Bereich liegt. Männer zeigen dabei fast doppelt so häufig Anzeichen für ein problematisches oder pathologisches Spielen wie Frauen.

Was raten Sie Menschen, die sich Gedanken über ihr Spielverhalten machen?

Um wirklich einschätzen zu können, ob jemand einen kritischen Umgang mit Glücksspielen hat, ist ein Gespräch mit einem Berater oder einer Beraterin notwendig. Erste Hinweise auf ein riskantes Spielverhalten liefern aber auch Selbsttests. Hamburgerinnen und Hamburger können auch die Helpline Glücksspielsucht kontaktieren. Unter 040 23934444 helfen ihnen von montags bis donnerstags (jeweils zwischen 10.00 und 18.00 Uhr) sowie freitags (10 bis 15 Uhr) erfahrene Beraterinnen und Berater gerne weiter. Die Preise für den Anruf entsprechen dem Ortstarif aus dem deutschen Festnetz. Bundesweit steht das Beratungstelefon zur Glücksspielsucht der BZgA unter 0800 1372700 kostenlos und anonym zur Verfügung (Montag bis Donnerstag 10 - 22 Uhr, Freitag bis Sonntag 10 - 18 Uhr).

Zum Schluss möchte ich gerne noch einmal allen, die sich Gedanken über ihr Spielverhalten oder Sorgen um einen Angehörigen machen, Mut machen, sich möglichst frühzeitig Hilfe zu holen. Die Erfahrung zeigt, dass eine professionelle Beratung in vielen Fällen erfolgreich ist.

Das Team von „Automatisch Verloren“ wünscht allen Leserinnen und Lesern erholsame Festtage und einen angenehmen Jahresausklang sowie einen guten Start in das neue Jahr 2016.

Welche aktuellen Entwicklungen gibt es auf dem deutschen Glücksspielmarkt? Welche Bevölkerungsgruppen sind besonders gefährdet, ein problematisches Spielverhalten zu entwickeln? Und mit welchen Veränderungen ist in naher Zukunft zu rechnen – sowohl beim Spielangebot als auch bei der Regulierung von Glücksspielen? Der Jahreswechsel ist eine gute Gelegenheit, sich diesen grundsätzlichen Fragen zu widmen.

Welche aktuellen Entwicklungen gibt es auf dem Glücksspielmarkt?

Die Zahl der Menschen, die Glücksspielen nachgehen, ist laut einer Untersuchung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zwar gesunken. Der Anteil derjenigen, die problematisch oder bereits pathologisch spielen, ist dagegen in etwa gleich geblieben und liegt nach wie vor bei knapp unter einem Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland.

Auf dem „regulierten deutschen Glücksspielmarkt“ (ausgenommen hiervon sind Soziallotterien, Sportwetten und Online-Glücksspiele) war zuletzt (im Jahr 2014) ein Umsatzplus zu verzeichnen. Der Gesamtumsatz liegt jetzt bei fast 35 Milliarden Euro pro Jahr.

Auch für den Sportwettenmarkt geht es nach oben: Für das laufende Jahr (2016) wird eine Steigerung der Umsätze vorhergesagt. Im Jahr 2015 wurden noch 4,8 Milliarden Euro eingesetzt, in 2016 könnten es 300 Millionen Euro mehr sein. Ganze 5,1 Milliarden Euro wären dann also bei Sportwetten in Deutschland „im Spiel“.

Viele Anbieter von Sportwetten profitieren davon, dass die im Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüÄndStV) geplanten 20 Sportwettkonzessionen nicht vergeben wurden. Im vergangenen Jahr hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel die im GlüÄndStV festgeschriebene Vergabe von Lizenzen für Sportwettanbieter für unrechtmäßig beschieden. (Mindestens) bis zum Inkrafttreten eines neuen Glücksspielstaatsvertrages werden die Sportwettanbieter ihr Geschäft also weiter betreiben.

Automatenspiele machen nach wie vor den größten Anteil am Umsatzkuchen aus, gefolgt von Angeboten des Deutschen Lotto- und Totoblocks. Bei Online-Glücksspielen ist ein Überblick dagegen so gut wie gar nicht möglich. Sie sind (mit Ausnahme weniger Angebote, die vorübergehend in Schleswig-Holstein eine Konzession erhalten haben) verboten, agieren meist aus dem Ausland und entziehen sich auf diese Weise einer Regulierung (und Besteuerung) in Deutschland. Auch der Jugend- und Spielerschutz ist im World Wide Web sehr erschwert bis kaum umsetzbar.

Eine weitere Herausforderung besteht zudem darin, dass immer mehr neue Spielformen auf den Markt drängen. Zum Beispiel Wetten auf „eSport-Ereignisse“. Das Prinzip entspricht dem klassischer Sportwetten, nur dass es statt um Fußball oder Basketball um Computer- bzw. Videospiele geht. Je nach Spielvariante treten Teams oder einzelne Spieler gegeneinander an – vor Zuschauern versteht sich. Und wie beim „echten“ Sport auch, gibt es Menschen, die auf den Ausgang der Spiele wetten. Einer Schätzung nach soll der weltweite Wetteinsatz im Jahr 2020 bereits bei 23,35 Milliarden Dollar liegen.

Wer ist besonders gefährdet?

Nach wie vor nehmen deutlich mehr Männer als Frauen an Glücksspielen teil. Und auch unter jenen, die die Kontrolle über ihr Spielen verloren haben und sich in einer Beratung oder Therapie befinden, ist der Männeranteil sehr hoch. Aktuell liegt er bei etwa 88 Prozent der Menschen, die sich wegen Spielproblemen in einer suchttherapeutischen Behandlung befinden.

Bereits bei männlichen Jugendliche zeigt sich eine stärkere Neigung zu Glücksspielen als bei gleichaltrigen Mädchen. Das hat unter anderem die SCHULBUS-Studie in diesem Jahr klar ergeben. Weitere Risikogruppen: Jüngere und Männer mit Migrationshintergrund. Zudem zeigen sich je nach Glücksspielart unterschiedliche Risiken. Zwar kann jedes Glücksspiel süchtig machen. Beispielsweise mit Automatenspielen und Sportwetten ist jedoch ein besonders hohes Risiko verbunden, ein problematisches Spielverhalten zu entwickeln.

Was ändert sich in naher Zukunft?

Auch ohne Kristallkugel lässt sich die sichere Prognose treffen, dass das Ringen um eine neue Fassung des Glücksspielstaatsvertrages im nächsten Jahr in eine neue Runde gehen wird. Wann die neue Fassung vorliegen wird, lässt sich heute jedoch noch nicht sagen. Spannend dürfte es auch werden, wenn in 2017 die Konzessionen für die Spielhallen auslaufen und bei der Verlängerung bzw. Neuausstellung die geforderten Mindestabstände (sowohl zwischen Spielhallen als auch zwischen Spielhallen und Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche betreut werden) eingehalten werden sollen.

Eines ist leider sicher: Auch im Jahr 2017 werden die Anbieter von Glücksspielen sich wieder einiges einfallen lassen, um möglichst viele Menschen an ihre Spiele zu binden. Besonders innovativ sind dabei Unternehmen, die mit Glücksspielen im Internet ihr Geld verdienen. Die Spielformen werden sich weiter verändern, viele Angebote werden auf den ersten Blick gar nicht als Glücksspiele zu erkennen sein.

Umso wichtiger ist es, Menschen über die Systematik und die Risiken von Glücksspielen aufzuklären.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern erholsame Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr 2017!



Quellen:
http://akspielsucht.de/wp-content/uploads/2016/05/Fiedler.pdf

https://globenewswire.com/news-release/2015/08/19/761887/10146600/en/Eilers-Research-Releases-White-Paper-on-eSports-Betting-Industry.html

Wiener Zeitschrift für Suchttherapie; Themenschwerpunkt: Pathologisches Glücksspiel und pathologischer PC-/Internet-Gebrauch: Behandlung, Ziele und Methoden der Prävention; Gastherausgeber: Bernd Sobottka, Holger Feindel (Hrsg.), ISSN 2190-443X

Meyer, G. (2015): Glücksspiel – Zahlen und Fakten. In: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.): Jahrbuch Sucht 2015. Lengerich: Pabst.

Haß, Wolfgang & Lang, Peter (2016). Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland. Ergebnisse des Surveys 2015 und Trends. Forschungsbericht der BZgA. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Pathologisches Glücksspielen ist in Deutschland eine anerkannte Krankheit.

Menschen, die die Kontrolle über ihr Spielverhalten verloren haben, steht deshalb professionelle Hilfe zu, die Behandlungskosten werden von den Sozialversicherungsträgern (Krankenkassen und Rentenversicherung) übernommen. Alle Behandlungen werden dokumentiert und im Rahmen der sogenannten Suchthilfestatistik zusammengeführt und ausgewertet. Der jüngste Bericht der Suchthilfestatistik erlaubt interessante Einblicke in die (ambulante und stationäre) Behandlung von pathologischen Glücksspielerinnen und Glücksspielern im Jahr 2013.

Eindeutig mehr Männer wegen Glücksspielproblematik in Behandlung

Im Mittelpunkt des Berichts steht die Versorgung von Menschen mit der „Hauptdiagnose Pathologisches Glücksspielen“. Im ambulanten Bereich ist dies die sechsthäufigste Hauptdiagnose (6 Prozent der Klientinnen und Klienten), unter den stationären Behandlungen kommt sie dagegen seltener vor (3 Prozent). Die Geschlechterverteilung fällt eindeutig „zugunsten“ der Männer aus. So sind etwa neun von zehn Behandelten männlich – eine noch einmal erhöhte Männerquote gegenüber der eh schon männlich dominierten Patientenschaft in der Suchthilfe (75 Prozent Männer in der Gesamtgruppe aller im Suchthilfesystem betreuten Personen).

Bei den Frauen entwickelt sich Pathologisches Glücksspielen später im Leben

Die behandelten Glücksspielerinnen waren bei Beginn ihrer Störung deutlich älter als die männlichen Patienten. Ein Beispiel: Ambulant betreute Automatenspielerinnen (also Frauen, bei denen das Spielen am Geldspielautomaten in Gaststätten oder Spielhallen im Vordergrund ihrer Problematik steht) sind im Schnitt etwa 33 Jahre alt. Die männlichen Automatenspieler in der ambulanten Suchthilfe sind mit 25 Jahren dagegen deutlich jünger. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei anderen Glücksspielarten, sowohl im ambulanten als auch im stationären Behandlungsbereich.
Wegen einer Glücksspielproblematik betreute Personen haben häufiger einen Migrationshintergrund als andere Patienten im Suchthilfesystem. Besonders im stationären Bereich fällt dieser Unterschied zu den übrigen Behandlungsfällen im Suchthilfesystem deutlich aus: 37 Prozent der Patientinnen und Patienten mit der Hauptdiagnose Pathologisches Glücksspielen haben einen Migrationshintergrund. Damit ist dieser Anteil fast drei Mal so hoch wie in der allgemeinen (stationär behandelten) Patientengruppe (13 Prozent).

Häufiger Substanzkonsum bei pathologischen Glücksspielern

Die Suchthilfestatistik zeigt, dass pathologische Glücksspieler häufig auch von Substanzen abhängig sind. Hier zeigen sich große Unterschiede zwischen dem ambulanten und dem stationären Suchthilfebereich: Bei Personen, die wegen ihrer Glücksspielproblematik stationär behandelt werden, kommt eine zusätzliche substanzbezogene Störung deutlich häufiger vor als bei ambulant Betreuten. An erster Stelle stehen hier die Substanzen Alkohol und Tabak, gefolgt von Cannabis. So erfüllen beispielsweise 68 Prozent der wegen ihres Glücksspielens stationär behandelten Menschen die Kriterien für Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit. Ein ähnlich hoher Prozentsatz (72 Prozent) raucht, damit ist dieser Anteil mehr als doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung (29 Prozent).

Ambulante Suchthilfe: Hälfte der Patienten meldet sich selbst

Über welchen Weg gelangen Menschen mit einer Glücksspielproblematik in eine Behandlung? Das kommt ganz darauf an, ob sie ambulant oder stationär betreut werden. So hat sich etwa die Hälfte der ambulant betreuten Personen selber gemeldet, um sich helfen zu lassen. Jeder fünfte von ihnen kam auf Initiative der Familie. Eine Vermittlung in eine stationäre Behandlung erfolgt dagegen zumeist über eine Suchtberatungsstelle (72 Prozent aller Fälle).

Häufigster Therapieausgang: Verbesserung der Symptomatik

Auch zum Erfolg der Behandlung macht der Suchthilfebericht eine Aussage. Erfolgsmaßstab ist in diesem Fall eine Einschätzung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der behandelnden Einrichtung. Ihren Angaben zufolge überwiegen die Behandlungserfolge gegenüber negativen Therapieausgängen. Im ambulanten System werden 23 Prozent der Betreuungen als „erfolgreich“ gewertet, bei weiteren 41 Prozent hat sich die Symptomatik verbessert. Der stationäre Bereich kann mit einer noch etwas höheren Erfolgsquote aufwarten: Ebenfalls 23 Prozent der Behandlungen sind demnach erfolgreich verlaufen, eine Verbesserung der Symptomatik konnte sogar bei 60 Prozent festgestellt werden. Übrigens: Verschlechtert hat sich die Situation im Verlauf der Behandlung bei so gut wie niemandem. Ein negativer Ausgang der Therapie bedeutet also fast immer, dass sich die Symptomatik nicht verändert hat – und das kommt glücklicherweise, wie schon gesagt, seltener vor als eine Verbesserung oder gar ein Therapieerfolg.

Probleme mit Glücksspielen? Suchtberatungsstellen und Helpline helfen weiter

Wenn Sie sich selber Gedanken oder Sorgen über Ihren Umgang mit Glückssielen machen: Eine gute erste Anlaufstelle für Ihre Fragen (und für eine umfassende Beratung) ist eine  Suchtberatungsstelle, in der sich Betroffene (und auch ihre Angehörigen) anonym und kostenfrei beraten lassen können. Wer lieber zunächst eine telefonische Beratung wünscht, ist bei der Helpline Glücksspielsucht an der richtigen Stelle. Die Gespräche mit den Fachleuten helfen dabei, die eigene Situation besser einordnen zu können und oftmals ebnen sie auch den Weg in eine professionelle Suchtbehandlung.

 


 

Quelle:
Klienten/Patienten mit HD Pathologisches Glückspielen in ambulanter und stationärer Suchtbehandlung / KURZBERICHT NR.1/2015 – DEUTSCHE SUCHTHILFESTATISTIK 2013; abrufbar unter: http://www.suchthilfestatistik.de/cms/images//dshs%20kurzbericht%201_2015%20hd%20pathologisches%20gl%FCcksspielen.pdf

Männer mit problematischem Spielverhalten neigen eher zu Gewalt als andere Männer: Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie aus England, die vor kurzem veröffentlicht wurde.

Über 3.000 Männer wurden gefragt, ob sie schon einmal verschiedene Formen von Gewalt ausgeübt haben, zum Beispiel jemanden angegriffen, eine Waffe genutzt haben, oder auf sonstige Weise in gewaltsame Auseinandersetzungen verwickelt waren. Auch über ihr Glücksspielverhalten gaben die Befragten Auskunft, zum Beispiel darüber, wie häufig sie spielten. Mit speziellen Fragen wurde zudem erhoben, ob ihr Spielverhalten als normales oder bereits problematisches bzw. pathologisches Spielen einzuordnen ist.

Spielen und Gewalt hängen oft zusammen

Viele Befragte und jede Menge schwierige Fragen  – eine aufwändige Untersuchung, für die sich die Arbeit jedoch gelohnt hat: Die Studienverantwortlichen fanden eine Reihe interessanter Zusammenhänge zwischen der Teilnahme an Glücksspielen und gewalttätigem Verhalten. Ein Kernergebnis: Je kritischer bzw. problematischer das Glücksspielverhalten, umso eher wurde auch über gewaltsame Verhaltensweisen berichtet.

Drei Zahlen machen das deutlich:

19 Prozent aller Nicht-Spieler waren in den vergangenen fünf Jahren in irgendeiner Weise gewalttätig geworden (ein Prozentwert, der dem einen oder der anderen für sich genommen schon sehr hoch erscheinen mag). Bei Freizeitspielern – Männern also, die immer mal wieder spielen, ohne schon „Problemspieler“ zu sein – stieg der Anteil der Gewalterfahrungen in den letzten fünf Jahren dann bereits auf 28 Prozent. Problemspieler berichteten am häufigsten über Gewalttaten: 45 Prozent, also knapp die Hälfte von ihnen, gab an, in den vergangenen fünf Jahren in irgendeiner Form Gewalt ausgeübt zu haben.

Wie lassen sich die Ergebnisse erklären?

Die Zusammenhänge blieben auch dann noch bestehen, wenn man zum Beispiel psychische Erkrankungen „heraus rechnete“. Das bedeutet, dass die erhöhte Gewaltanfälligkeit unter (vor allem problematischen) Spielern sehr wahrscheinlich tatsächlich etwas mit ihrer oft exzessiven Teilnahme an Glücksspielen zu tun hat.

Aber warum? Darauf kann die Studie leider auch keine Antwort geben. Es gibt verschiedene mögliche Erklärungen für den gezeigten Zusammenhang. So könnte es eine gemeinsame Ursache für die Neigung zum Spielen und zu Gewalt geben – zum Beispiel eine „Störung der Impulskontrolle“. Ebenso denkbar: Regelmäßiges oder sogar exzessives Spielen bringt jemanden häufiger in Situationen (oder Milieus), in denen Gewalt eine größere Rolle spielt.

Oft kommen Spieler in eine sogenannte „Verzweiflungsphase“, in der sie verstärkt Gewinnen hinterher jagen und sich auf verschiedenste Weise Geld verschaffen, um weiterspielen zu können. In diesem Zustand ist es vorstellbar, dass jemand auch Gewalt anwendet, um an das notwendige Geld zu kommen (Stichwort „Beschaffungskriminalität“) oder es zum Beispiel zu Streit mit Gläubigern kommt.

Glücksspielsucht kommt selten allein

Es ist bekannt, dass Menschen mit problematischen Spielverhalten oft auch noch andere Belastungen bzw. Störungen mit sich tragen. Der Anteil alkoholabhängiger oder riskant konsumierender Personen ist unter Glücksspielsüchtigen beispielsweise deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung, ähnlich sieht es bei Depressionen oder Angsterkrankungen aus. Auch hier ließe sich diskutieren, welches Verhalten welche Befindlichkeit auslöst. Wichtig ist aber vor allem, dass solche zusätzlichen Problemlagen bei der Beratung und Behandlung von Glücksspielern mit berücksichtigt werden. Dazu zählt auch eine Schuldnerberatung, die ein Teil der professionellen Beratung von problematischen Spielern ist. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Beratungsstellen kennen das Hilfesystem in Hamburg sehr gut und können an die entsprechenden Stellen verweisen.

Mehr Informationen zum Hilfesystem und zu Beratungsangeboten in Hamburg gibt es hier.


Quelle:
Amanda Roberts, Jeremy Coid, Robert King, Raegan Murphy, John Turner, Henrietta Bowden-Jones, Katie Palmer Du Preez, Jason Landon. Gambling and violence in a nationally representative sample of UK men. Addiction, 2016; DOI: 10.1111/add.13522

Zu jeder Tages- und Nachtzeit spielen, keine Wartezeiten haben und bequem zu Hause bleiben, anstatt das Jacket für den Spielbankbesuch heraussuchen zu müssen: Mit diesen und anderen vermeintlichen Vorteilen von Online-Casinos werben die Anbieter von Internetglücksspielen um ihre Kundinnen und Kunden. Offenbar mit Erfolg, denn die Umsätze mit Online-Glücksspielen steigen beträchtlich.

Internet-Glücksspiele locken rund um die Uhr

Was für die Anbieterseite „Werbeargumente“ sind, stellt für Suchtexpertinnen und -experten eher „Gefährdungsfaktoren“ dar. Denn beispielsweise die Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit von Glücksspielen im Internet macht einen großen Teil ihres Risikos aus. Und die angesprochenen „Wartezeiten“, die in realen Spielhallen oder Casinos auftreten können, sind für die Spieler eigentlich eine Art „Glücksfall“ – denn so können sie sich (theoretisch) zwischen den Spielen „abkühlen“ und ihre Selbstkontrolle wiedergewinnen. Sie fassen dann eher den Entschluss, erst einmal nicht mehr weiterzuspielen und gehen stattdessen vielleicht sogar nach Hause.

Nach Hause gehen müssen Online-Spielerinnen und -spieler dagegen nicht, denn dort sitzen sie in der Regel bereits (wenn sie nicht gerade mobil spielen). Aus der Sicht von Suchtfachleuten ein weiterer Risikofaktor, denn die Chance, dass eine wohlmeinende Person einen Hinweis auf exzessives Spielen gibt oder einen Ausstieg nahelegt, ist äußerst gering, wenn ein Spieler bzw. eine Spielerin alleine in der Wohnung sitzt. Die Fachleute sprechen deshalb auch von „fehlender sozialer Kontrolle“, die Online-Glücksspiele riskanter macht.

Neuer Schwerpunkt zum Thema Online-Glücksspiele

Steigende Umsätze auf Seiten der Glücksspielanbieter, ein erhöhtes Risiko für die Spielenden – Anlass genug für die Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen (HLS), anlässlich des diesjährigen „Aktionstag Glücksspielsucht“ am 23. September das neue Informationsangebot zu den Verführern im Netz online zu stellen.

Erhöhtes Risikopotenzial von Online-Glücksspielen schlägt sich auch in Praxis nieder

Dass die Umsätze der Glücksspielanbieter im Netz steigen, liegt auch daran, dass Menschen grundsätzlich immer mehr Zeit im Internet verbringen: Davon ist Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks überzeugt: „Viele Jugendliche und Erwachsene nutzen regemäßig mobile Geräte wie Handys und Tablets, um fast überall und rund um die Uhr Zugang zum Internet zu haben. Dies nutzen Anbieter von Glücksspielen, in dem sie auf scheinbar unverdächtigen Internetseiten den Zugang zu Gratis- und Demospielen verlinken. Dahinter steht vielfach eine ausgeklügelte Strategie, um letztendlich kostenpflichtige Angebote zu verkaufen.“[1]

Unter Internet-Casinospielern gibt es einen deutlich erhöhten Anteil von Personen, die die Kontrolle über ihr Spielverhalten verloren haben. Das hat unter anderem die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in ihren Untersuchungen herausgefunden.

Und auch Christiane Lieb, Geschäftsführerin der HLS, kann dies bestätigen. Sie berichtet aus der Praxis: „Sehr häufig kommen Menschen in die Beratungsstellen in Hamburg, die aufgrund von Problemen mit Glücksspielangeboten im Internet Unterstützung benötigen. Diesen Menschen ist häufig nicht bewusst, dass es sich bei vielen häufig zunächst kostenfreien Spielangeboten um Glücksspiele handelt und sie regelrecht von der Glücksspielindustrie geködert wurden.“

Tipps zum Umgang mit Online-Glücksspielen

Bei Online-Glücksspielen ist also besondere Vorsicht angebracht. Vier Tipps helfen ihnen, „auf der sicheren Seite“ zu bleiben:

  1. Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind Glücksspiele im Internet in Deutschland verboten. Wer Rechtssicherheit möchte, spielt also am besten gar nicht im Netz um Geld. Dass letzteres bei einem eventuellen Gewinn ausgezahlt wird, ist außerdem gar nicht so sicher.
  2. Sogenannte „Gratisspiele“ sind keine Geschenke, sondern reine Werbemittel, die zum Spielen mit echtem Geld verleiten sollen. Erfahrungen zeigen, dass dies häufig gelingt. Seien Sie also vorsichtig, wenn man Ihnen im Netz etwas „schenken“ möchte
  3. Wer doch im Internet spielt, sollte sich selber Grenzen setzen. Zum Beispiel indem man sich vornimmt, nur eine bestimmte Geldsumme zu verspielen. Oder indem man sich von vornherein ein Zeitlimit für das Spielen selbst. Wer (vor allem mehrfach) feststellt, dass es ihm oder ihr schwer fällt, die selbst gesetzten Grenzen einzuhalten, sollte sich Unterstützung holen. Je früher desto besser – denn wenn die Kontrolle über die Spieldauer verloren geht, ist das ein ernstzunehmendes Frühwarnzeichen für einen problematischen Umgang mit Glücksspielen.
  4. Testen Sie, ob sie das Spielen noch im Griff haben, mit unserem Selbsttest.

Hier geht es zum neuen Informationsangebot über Online-Glücksspiele.

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[1] Pressemitteilung „Glücksspiele im Internet und Online-Glücksspiele“ http://www.sucht-hamburg.de/uploads/docs/696.pdf

Quelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2014). Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland. Ergebnisse des Surveys 2013 und Trends. Köln. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
http://www.automatisch-verloren.de/de/nachrichtenarchiv/215-gluecksspiele-im-internet-und-online-gluecksspiele-riskant-und-weitgehend-ohne-kontrolle

 

„Das hätte ich denen auch ohne Studie sagen können“ wird so mancher denken, der die Überschrift dieses Artikels liest. Denn inzwischen gibt es viele Menschen in Deutschland, die sich mit Unterstützung einer Selbsthilfegruppe von ihrer Glücksspielsucht befreit haben und die rückblickend sagen: „Ohne die Gruppe hätte ich es vielleicht gar nicht geschafft, vom Spielen loszukommen“.

Erfahrung in der Selbsthilfegruppe: Ein Spieler kann einem Spieler nichts vormachen

Einer, der diese Erfahrung auch gemacht hat, ist Michael, mit dem wir vor einiger Zeit ein Interview geführt haben. Über seine Besuche der Selbsthilfegruppe sagt er: „Hier konnte ich alles aufarbeiten und mich und meine Verhaltensmuster erkennen und letztendlich auch verändern. Vorher hatte ich mir und meinem Umfeld immer wieder etwas vorgemacht, so etwas durchschaut eine Gruppe aber sofort. Ich sage immer: Ein Spieler kann einem Spieler nichts vormachen.“

Bisher nur wenige Studien zur Wirksamkeit von Selbsthilfegruppen für Glücksspielsüchtige

Eine Selbsthilfegruppe wird – wie der Name es schon sagt – von den Betroffenen selbst organisiert und betreut. Professionelle Fachkräfte, zum Beispiel Therapeutinnen und Therapeuten, werden in diesem Feld nicht aktiv. Vielleicht ist das mit ein Grund dafür, dass es bis heute nur wenige Studien gibt, die die Wirksamkeit von Selbsthilfegruppen untersucht haben. Vor kurzem wurde jedoch in einer Fachzeitschrift eine Untersuchung veröffentlicht, bei der gleich mehrere Studien zu dem Thema ausgewertet wurden. Untersucht wurde jeweils, wie wirksam Besuche von Selbsthilfegruppen nach dem Prinzip der Anonymen Spieler sind. Nähere Informationen über die Ziele und das 12-Schritte-Programm der Anonymen Spieler finden Sie unter http://www.anonyme-spieler.org.

Selbsthilfe: kostengünstig und oftmals eine wertvolle Unterstützung

Weil sie insgesamt nicht viele belastbare Studien gefunden haben, sind die Verantwortlichen der Untersuchung in ihren Schlussfolgerungen zwar eher vorsichtig und verweisen darauf, dass es noch weiterer Forschung bedarf, um die Wirkweise der Selbsthilfe besser zu verstehen.

Sie heben jedoch hervor, dass es sich bei den Selbsthilfegruppen der Anonymen Spieler um ein besonders niedrigschwelliges und kosteneffektives Angebot handelt. Zudem haben sie Hinweise dafür gefunden, dass Spielerinnen und Spieler, die regelmäßig eine Selbsthilfegruppe aufsuchen, bessere Erfolge bei der Bewältigung ihrer Glücksspielsucht vorweisen können als andere, die diese Erfahrungen nicht gemacht haben. Erfolg bedeutet in diesem Fall: längere Phasen der Abstinenz und eine höhere berichtete Lebensqualität bei denjenigen, die eine Selbsthilfegruppe besucht hatten.

Selbsthilfe und Therapie: die Kombination macht's

Und auf ein weiteres interessantes Ergebnis stieß das Forschungsteam: Besonders erfolgversprechend ist die Selbsthilfe, wenn sie mit anderen Maßnahmen kombiniert wird. So zeigte sich bei Menschen, die zusätzlich zu ihrer Selbsthilfegruppe ein Stressbewältigungsprogramm absolvierten eine Verbesserung ihrer Gesamtsituation: Ihre Lebenszufriedenheit stieg, sie berichteten über weniger Niedergeschlagenheit und Angst und schliefen länger.

Auch eine zusätzliche Psychotherapie macht sich oft bezahlt: Teilnehmende, die regelmäßig eine Selbsthilfegruppe besuchten und außerdem noch eine Verhaltenstherapie machten, spielten in der Folge an weniger Tagen und wiesen weniger typische Symptome einer Glücksspielsucht auf als Menschen, die ausschließlich eine Therapie machten oder ausschließlich auf die Selbsthilfe setzten. In der Kombination mit anderen Maßnahmen entfaltet die Selbsthilfe also ihr volles Potential.

Auch in Hamburg gibt es mehrere Selbsthilfegruppen zu Glücksspielsucht. Einen Überblick und weitere Hilfeangebote finden Sie hier. In jedem Fall gilt: Je früher sich jemand Hilfe sucht – ob in einer Selbsthilfegruppe und/oder über ein professionelles Beratungsangebot in einer Suchtberatungsstelle – desto größer sind die Chancen auf eine Besserung der Lebenslage.a


Quelle:
Andrée Schuler, Peter Ferentzy, Nigel E. Turner, Wayne Skinner, Kathryn E. McIsaac, Carolyn P. Ziegler, Flora I. Matheson. Gamblers Anonymous as a Recovery Pathway: A Scoping Review. Journal of Gambling Studies, 2016; DOI: 10.1007/s10899-016-9596-8

Die Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen e.V. und die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz nehmen den bundesweiten Aktionstag zur Glücksspielsucht am 23. September zum Anlass und erweitern die Glücksspielkampagne „Automatisch Verloren!“ um einen neuen Schwerpunkt zu Online-Glücksspielen.

 Ständig verfügbar, bargeldlos, ungenügender Spieler- und Jugendschutz, anonym und bequem von zu Hause aus: Online-Glücksspiele vereinen eine Vielzahl von Faktoren, die mit einem erhöhten Risiko für eine Abhängigkeitsentwicklung in engem Zusammenhang stehen. Daher sind Online-Glücksspiele durch den Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüÄndStV) in Deutschland auch grundsätzlich verboten. Nichtsdestotrotz steigen die Umsätze von Online-Casinos, Online-Spielhallen, Internet-Sportwetten usw. unaufhörlich. Auch die Werbemaßnahmen im Glücksspielmarkt haben sich laut einer aktuellen Studie seit 2010 auf ca. 150 Mio. Euro verdoppelt[1]. Online-Glücksspiele sind für die Anbieter attraktiv: Niedrige Investitionskosten und ein internationaler Markt führen nach Schätzungen zu einem Bruttospielertrag von ca. einer Milliarde Euro bei Online-Glücksspielen im Jahr 2012[2], Tendenz steigend! Die großen Verlierer sind die Spielenden, denen Spaß am Spiel und an Wetten, Glücksgefühle und sogar eine soziale Komponente im „Social Casino“ suggeriert wird.

 „Viele Jugendliche und Erwachsene nutzen regemäßig mobile Geräte wie Handys und Tablets, um fast überall und rund um die Uhr Zugang zum Internet zu haben. Dies nutzen Anbieter von Glücksspielen, in dem sie auf scheinbar unverdächtigen Internetseiten den Zugang zu Gratis- und Demospielen verlinken. Dahinter steht vielfach eine ausgeklügelte Strategie, um letztendlich kostenpflichtige Angebote zu verkaufen. Wir nehmen den bundesweiten Aktionstag zur Glücksspielsucht deshalb zum Anlass, um auf die Risiken, die von diesen Angeboten ausgehen, hinzuweisen“, sagt Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks.

 „Sehr häufig kommen Menschen in die Beratungsstellen in Hamburg, die aufgrund von Problemen mit Glücksspielangeboten im Internet Unterstützung benötigen“ so Christiane Lieb, Geschäftsführerin der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS). „Diesen Menschen ist häufig nicht bewusst, dass es sich bei vielen häufig zunächst kostenfreien Spielangeboten um Glücksspiele handelt und sie regelrecht von der Glücksspielindustrie geködert wurden“, so Lieb weiter. Der neue Schwerpunkt der Kampagne „Automatisch Verloren“ umfasst ein umfangreiches Informationsangebot für Betroffene, Angehörige, Fachkräfte und weitere Interessierte, das im Internet unter www.automatisch-verloren.de abgerufen werden kann.

 Für Fachkräfte stehen darüber hinaus ab sofort kompakte Faktenblätter mit aktuellen und grundlegenden Informationen zu den Themen Sportwetten sowie zu Online-Glücksspielen zur Verfügung. Diese können kostenlos im Materialshop der HLS unter https://www.sucht-hamburg.de/materialien bestellt oder downgeloadet werden.

 Automatisch verloren! ist eine gemeinsame Kampagne der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS) und der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV).


[1]Kurzbericht IFT „ Online Glücksspielangebot: Trends 2012-2014“; Autoren: Pawel Sleczka, Barbara Braun & Ludwig Kraus; aus April 2014

[2]Goldmedia (2013). Glücksspielmarkt Deutschland 2017. Marktliche Effekte der Regulierung von Sportwetten in Deutschland, Berlin.

Wie hoch sind die Umsätze auf dem deutschen Glücksspielmarkt? Wie beliebt sind Glücksspiele heutzutage überhaupt? Und wie viele Menschen in Deutschland verlieren die Kontrolle über ihr Spielverhalten und entwickeln einen problematischen oder pathologischen Umgang mit Glücksspielen? Antworten gibt das „Jahrbuch Sucht 2016“, das die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) im Mai 2016 vorgestellt hat.

Fast 35 Milliarden Euro Umsatz auf dem regulierten Glücksspielmarkt

Die Umsätze mit Glücksspielen sind insgesamt gestiegen – auch wenn sich das Umsatzplus auf die einzelnen Glücksspielarten ungleich verteilt und in einigen Sparten die Einnahmen gegenüber dem Vorjahr sogar zurückgegangen sind. Die jüngsten Zahlen liegen für das Jahr 2014 vor.

Im sogenannten „regulierten deutschen Glücksspielmarkt“ wurde ein Gesamtumsatz von 34,7 Milliarden Euro erzielt, im Vergleich zum Jahr davor ein Umsatzplus um 1,4 Prozent – etwa so viel wie im gleichen Zeitraum auch die deutsche Wirtschaft gewachsen ist. Nicht zum „regulierten deutschen Glücksspielmarkt“ zählen übrigens Soziallotterien, Sportwetten und Online-Glücksspiele. Gestiegen sind die Umsätze vor allem beim Eurojackpot, bei Oddset, bei Sofortlotterien sowie bei Geldspielautomaten. Letzteren gehört auch das größte Stück an der „Umsatz-Torte“: 59,2 Prozent aller Umsätze des regulierten Glücksspielmarkts wird mit Automatenspielen gemacht. Danach folgt der Deutsche Lotto- und Totoblock mit 20,1 Prozent, der allerdings gegenüber dem Jahr 2013 einen leichten Umsatzrückgang (0,6 Prozent) hinnehmen musste. Die Einnahmen des Staates sind um fast zehn Prozent auf 3,542 Milliarden Euro angestiegen.

Gerade jene Spielarten, die mit einem vergleichsweise geringen Gefährdungspotenzial verbunden sind, wie etwa das Zahlenlotto, brachten in 2014 weniger Geld ein, während die Umsätze bei den hoch riskanten Automatenspielen abermals gestiegen sind.

Erfreulich: Die Nachfrage nach Glücksspielen nimmt insgesamt ab

Teilweise spiegeln sich diese Tendenzen auch in einer aktuellen Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die ebenfalls im Jahrbuch Sucht aufgeführt wird. Auf die Frage, ob sie in den vergangenen zwölf Monaten „Lotto 6 aus 49“ gespielt haben, antworteten im Jahr 2015 insgesamt 22,7 Prozent mit „Ja“ – ein deutlicher Rückgang gegenüber 2007: In dem Jahr gaben noch 35,5 Prozent der Befragten an, in den zurückliegenden 12 Monaten an einer Ziehung der Lotterie 6 aus 49 teilgenommen zu haben. Und auch die zunehmende Beliebtheit des Eurojackpots lässt sich an den Zahlen der BZgA ablesen: Der Anteil in der Bevölkerung, der in einem Zeitraum von zwölf Monaten mindestens einmal am Eurojackpot teilgenommen hat, ist von 5,0 auf 7,1 Prozent (Jahr 2015) gestiegen. Bei den Automatenspielen gab es dagegen einen Rückgang von 3,7 auf 2,6 Prozent. Wenn weniger Menschen am Automaten spielen, aber höhere Umsätze damit erzielt werden (siehe oben), liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die Umsätze – und damit auch die Verluste – pro Spieler demnach gestiegen sein müssten. Es geht jedoch keine der im Jahrbuch zitierten Untersuchungen diesem möglichen Zusammenhang nach.

Dafür stellt die Studie der BZgA einen generellen Rückgang bei der Nachfrage nach Glücksspielen fest: Hatten im Jahr 2007 noch 55 Prozent der Befragten gesagt, dass sie in den zurückliegenden 12 Monaten an einem Glücksspiel teilgenommen haben, lag dieser Anteil nun bei knapp 34 Prozent.

Junge Männer spielen nach wie vor häufiger und riskanter

Die BZgA-Studie zeigt auch, dass vor allem unter jungen Männern nach wie vor viele problematische und pathologische Spieler zu finden sind. Sie nehmen zum Beispiel vermehrt an illegalen Sportwetten teil: Bei einer Befragung im Jahr 2013 hatten knapp sechs Prozent (5,7%) der 18- bis 20-jährigen Männer in einem Zeitraum von zwölf Monaten mindestens einmal eine illegale Sportwette abgeschlossen. Im Jahr 2015, dem Untersuchungszeitraum der BZgA, hat sich diese Quote mehr als verdoppelt und stieg auf fast 13 Prozent (12,8%).

Großteil der glücksspielsüchtigen Klienten waren Automatenspieler

Männer spielen grundsätzlich häufiger und riskanter als Frauen – auch das wird in der BZgA- Studie offenbar. Das zeigt sich ebenso in der Suchthilfestatistik: Es sind viel mehr Männer als Frauen wegen einer Glücksspielsucht in Behandlung. Die meisten von ihnen wegen Automatenspielen: Bei etwa drei von vier Klienten in Beratungsstellen steht das Spielen am Geldspielautomaten im Vordergrund ihrer Problematik.

Einmal in Behandlung stehen die Chancen auf einen Erfolg gut – vorausgesetzt die Therapie wird durchgehalten. Ungefähr 85 Prozent aller – abgeschlossenen – ambulanten Therapien verlaufen positiv: 41 Prozent werden als erfolgreich eingeschätzt, in 44 Prozent der Fälle hat sich zumindest die Symptomatik verbessert. Allerdings: Die Abbruchquote bei Spielsuchttherapien ist im Vergleich zu anderen Suchtformen immer noch am höchsten.

Mehr Informationen, auch zu anderen Suchtformen gibt es im Jahrbuch Sucht 2016 und unter www.dhs.de.


 

Quellen:
Meyer, G. (2015): Glücksspiel – Zahlen und Fakten. In: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.): Jahrbuch Sucht 2015. Lengerich: Pabst.

Haß, Wolfgang & Lang, Peter (2016). Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland. Ergebnisse des Surveys 2015 und Trends. Forschungsbericht der BZgA. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

„Mein Pech war, dass ich am Anfang Glück hatte“. Dieser Ausspruch eines (pathologischen) Glücksspielers ist unter Suchtexperten eine Art „Klassiker“ geworden – beschreibt er doch einen typischen Anfang einer Entwicklung zur Spielsucht, an dem oftmals ein größerer Gewinn steht. Um noch einmal zu gewinnen, wird dann weiter gespielt. Offenbar ist der frühere Gewinn in diesen Fällen eine Art „Initialzündung“ und die Erinnerung daran könnte dazu beitragen, dass die Person nicht aufhört zu spielen.

Wie mächtig sind Spielgewinne aus der Vergangenheit?

Eine neue Untersuchung aus England hat nun gezeigt, dass die Erinnerung an zurückliegende Gewinne tatsächlich wirkungsvoll sein kann. Um ihre These „Gewinne beeinflussen die spätere Entscheidung zum (Weiter-) Spielen“ zu überprüfen, führten die Studienverantwortlichen ein Experiment durch. Wobei: Das Wort „Entscheidung“ im Zusammenhang mit dem Weiterspielen trifft es nicht so ganz. Denn es sind eher unbewusste Prozesse, die dabei das „Zepter in der Hand“ halten.

Ein Experiment am PC soll Aufschluss über Risikoverhalten geben

Für das Experiment wurden insgesamt 86 Personen gebeten, am Computer ein Glücksspiel zu spielen. Auf dem Bildschirm waren jeweils verschiedenfarbige Türen zu sehen, hinter denen sich Frucht-Symbole verbargen (vergleichbar mit den Symbolen, die wir von Automatenspielen kennen, also beispielsweise eine Brombeere oder eine Birne). Wenn die Probanden nun zum Beispiel die grüne Tür wählten, war dahinter eine Birne zu sehen, die 40 Gewinnpunkte erbrachte. Im Laufe des Spielens lernten die Probanden dann, dass sich hinter der grünen Tür immer die Birne versteckte. Es gab noch zwei weitere dieser Türen, hinter denen immer das gleiche Symbol zu sehen war. Bei der vierten Tür war es anders: Sie zu öffnen war mit einem Spielrisiko verbunden: Entweder erschien dort eine Brombeere, die eine hohe Punktzahl bedeutete oder eine Erdbeere, die mit einer niedrigen Punktzahl verknüpft war. Die Chance für eine Erdbeere oder eine Brombeere war jeweils 50 zu 50. Das Spiel bestand nun darin, sich in vielen Durchgängen jeweils zwischen zwei Türen zu entscheiden, die auf dem Bildschirm gezeigt wurden.

Können Reize unterhalb der Wahrnehmungsschwelle das Spielverhalten beeinflussen?

Man gab den Teilnehmern genügend Zeit, die Systematik des Spiels kennenzulernen, bevor man das eigentliche Experiment durchführte: Bei einigen Durchgängen präsentierte man den Probanden, bevor man ihnen die beiden Türen darbot, für ganz kurze Zeit (0,5 Sekunden) eines der Symbole. Die Symbole waren jeweils so kurz zu sehen, dass sie unter die Wahrnehmungsschwelle fielen, also nicht bewusst gesehen wurden. Die Wissenschaftler interessierte nun: Würden die Entscheidungen der Teilnehmer davon beeinflusst werden, welches Symbol man ihnen kurz vorher einspielte?

Eingespielte Reize verführen zum Risiko

Das Ergebnis der Untersuchung: Grundsätzlich spielten die Teilnehmer defensiv und vermieden Risiken. Mit einer Ausnahme: wenn man ihnen zuvor für kurze Zeit die Brombeere einspielte, also das Symbol, das im Falle eines Gewinns bei der Risikoentscheidung auftauchte. Wenn die Brombeere präsentiert wurde, spielten die Probanden demnach also riskanter. Die Folgerung der Studienverantwortlichen: Durch das Auftauchen des Symbols wird die Erinnerung an zurückliegende Gewinne geweckt, die man wieder erzielen möchte – und dafür riskanter spielt. Es muss also nicht einmal die bewusste Erinnerung an einen früheren Gewinn in der Vergangenheit sein, die zum Weiterspielen animiert. Es reicht, wenn ein Reiz erfolgt, der automatisch mit dem Gewinnen verknüpft wird – eine Möglichkeit für die Glücksspielindustrie, die Nachfrage der Konsumenten mit zu steuern, zum Beispiel durch das Einspielen von Sounds, die einen Gewinn signalisieren oder die Darbietung von visuellen Erinnerungen an frühere Gewinnerlebnisse.

Nüchterner Verstand ist das beste Mittel gegen Spielreize

Was hilft gegen die Verlockungen des Glücksspiels? Zuallererst einmal ein möglichst kühler Verstand. Um den zu bewahren, sollte man beim Spielen immer wieder Pausen einlegen. Wer dann merkt, dass ihm oder ihr solche Unterbrechungen des Spielens schwer fallen oder eine geplante Auszeit sogar nicht durchgehalten wird, sollte das Gespräch mit einem Berater oder einer Beraterin suchen. Apropos Gespräch: Wer regelmäßig Glücksspiele spielt, sollte aufpassen, dass er oder sie sich nicht von anderen Menschen (vor allem aus dem „nichtspielenden Umfeld“) isoliert, sondern im Kontakt bleibt mit Menschen, die ihm oder ihr einen Spiegel vorhalten können.

Fazit: Auch wenn die Anbieter von Glücksspielen das Spielverhalten ihrer Kunden beeinflussen können – jeder einzelne Mensch kann sich von solchen Reiz-Reaktions-Mechanismen lösen und das Zepter wieder selber in die Hand nehmen. Wer Schwierigkeiten dabei hat, kann sich Hilfe holen. Einen Überblick über Unterstützungsangebote in Hamburg finden Sie hier oder bei der Helpline Glücksspielsucht Hamburg: (040) 23 93 44 44 Montags - Donnerstags 10.00 - 18.00 Uhr, Freitags 10-15 Uhr (zum Ortstarif aus dem deutschen Festnetz).

Die Helpline-Glücksspielsucht wird im Auftrag der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. betrieben vom LUKAS Suchthilfezentrum Hamburg-West. Bundesweit steht das Beratungstelefon zur Glücksspielsucht der BZgA unter 0800 1372700 kostenlos und anonym zur Verfügung (Montag bis Donnerstag 10 - 22 Uhr, Freitag bis Sonntag 10 - 18 Uhr).

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Quelle: Elliot A. Ludvig, Christopher R. Madan, Marcia L. Spetch. Priming memories of past wins induces risk seeking.. Journal of Experimental Psychology: General, 2015; 144 (1): 24 DOI: 10.1037/xge0000046 http://psycnet.apa.org/journals/xge/144/1/24.html